Erreichbarkeitsstudie zur Inanspruchnahme Früher Hilfen
Studie zur Erreichbarkeit belasteter Eltern, ihren Zugangswegen zu Angeboten Früher Hilfen und Barrieren bei der Inanspruchnahme
Bisherige Erkenntnisse aus der Forschung zur Bekanntheit und Nutzung präventiver Angebote der Frühen Hilfen und anderer elternunterstützender Maßnahmen zeigen einen deutlichen sozialen Gradienten in der Inanspruchnahme auf: Insbesondere Familien, deren Lebensumstände durch verschiedene Belastungsfaktoren gekennzeichnet sind und die einen hohen Präventionsbedarf haben, können nur unzureichend für die Teilnahme gewonnen werden (sogenanntes "Präventionsdilemma").
Forschungsbedarf
Neben sozioökonomischen Faktoren können auch soziokulturelle Faktoren wie handlungsleitende Wertorientierungen eine Rolle für die Nicht-Inanspruchnahme spielen. Die Datenlage zu solchen Einflussfaktoren auf die Inanspruchnahme Früher Hilfen ist jedoch insgesamt noch als unzureichend einzustufen.
Um weitere Erkenntnisse zur Erreichbarkeit von Eltern – insbesondere in belastenden Lebenslagen – zu erhalten, führt das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) daher eine umfangreiche Studie durch. Aufbauend auf den Ergebnissen der Milieustudie des NZFH soll sie unter anderem den dort gefundenen Einflussfaktor "Steuerungskompetenzerwartung" anhand einer größeren Stichprobe belasteter Mütter überprüfen. Die Ergebnisse sollen der weiteren Optimierung der Ansprachestrategien für elternunterstützende Angebote Früher Hilfen dienen.
Erreichbarkeitsstudie
Die Erreichbarkeitsstudie besteht aus vier Modulen:
- Expertise zum Präventionsdilemma
- Partizipative Vorstudie: Fokusgruppe mit psychosozial belasteten Müttern
- Hauptstudie: Einzelinterviews mit psychosozial belasteten und unbelasteten Müttern, jeweils mit und ohne Hilfeannahme
- Validierungsstudie: Fokusgruppen mit psychosozial belasteten Müttern
Ergebnisse und zentrale Veröffentlichungen
Die Expertise zum Präventionsdilemma hat das NZFH unter dem Titel "Frühe Hilfen für alle? Erreichbarkeit von Eltern in den Frühen Hilfen" veröffentlicht. Die Publikation ist ein wissenschaftlicher Beitrag zum Diskurs rund um die Erreichbarkeit von Familien in Belastungslagen und enthält Anknüpfungspunkte, um die Zielgruppe besser zu erreichen.
Zentrale Erkenntnisse der Vor- und Hauptstudie sowie eine Beschreibung von Zielen, Aufbau und Methoden der Erreichbarkeitsstudie enthält das KOMPAKT-Heft "Man will das einfach selber schaffen" – Symbolische Barrieren der Inanspruchnahme Früher Hilfen. Die Publikation geht ausführlich auf die Aspekte "Symbolik der Behörde als Betreuungsinstanz" und "Symbolik guter Elternschaft" als Barrieren der Inanspruchnahme Früher Hilfen ein. Zum Abschluss formulieren die Autorinnen Ansatzpunkte zum Abbau von Barrieren und zu einer höheren Inanspruchnahme Früher Hilfen.
Steckbrief
Projektteam
Ilona Renner, NZFH, BZgA
Juliane van Staa, NZFH, BZgA
Maarweg 149-161
50825 Köln
E-Mail: forschung(at)nzfh.de
Datenerhebung
SINUS Markt- und Sozialforschung GmbH
Zeitraum
Erhebungszeitraum: 2018 (Module 1-3)
Zielgruppe
Mütter mit Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren
Ziele
Die Untersuchung hat zum Ziel, vertiefte Erkenntnisse zur Erreichbarkeit belasteter Eltern zu gewinnen. Zentrale Forschungsfragen sind u.a.:
- Wie lassen sich Nutzerinnen und Nicht-Nutzerinnen von Angeboten für Familien anhand soziokultureller Faktoren (wie grundlegende Werthaltungen etc.) näher beschreiben?
- Welche Kompetenzen (z.B. Organisationskompetenzen) benötigen Eltern, um Angebote Früher Hilfen nutzen zu können?
- Welche Arten der Ansprache und welche Zugangswege waren bei den befragten Müttern erfolgreich und haben zu Inanspruchnahme geführt?
- Welche Barrieren standen einer Inanspruchnahme entgegen?
- Welche Bedarfe haben Mütter bezüglich Zugangswegen und Gestaltung der Angebote?
Stichproben
Vorstudie (Modul 2): Fokusgruppe n = 9
Hauptstudie (Modul 3): Stichprobe n = 123 Mütter
- davon n = 74 in belastenden Lebenslagen (z.B. niedrige Bildung, alleinerziehend) und n = 49 ohne Belastungsfaktoren.
In beiden Teilgruppen ("belastet/unbelastet") wurden Mütter befragt, die bereits elternunterstützende Hilfen in Anspruch genommen haben und Mütter, die noch keine Hilfe in Anspruch genommen haben:
- Von den 74 Müttern in belastenden Lebenslagen haben 43 bereits Hilfe in Anspruch genommen, 31 haben bis dahin keine Hilfe in Anspruch genommen.
- Von den 49 Müttern der Vergleichsgruppe haben 31 Mütter bereits Hilfe angenommen, 18 haben keine Hilfe in Anspruch genommen.
Methodik / Design
Modul 1: Grundlage: Expertise zum Präventionsdilemma
- Überblick über den Forschungsstand zur Erreichbarkeit von Familien
- Generierung von Hypothesen
Modul 2: Partizipative Vorstudie: Fokusgruppe mit psychosozial belasteten Müttern (n = 9)
- Überprüfung der Passgenauigkeit der Fragestellungen
- Schärfung der Hypothesen für die Hauptstudie
- Optimierung des Leitfadens für die Hauptstudie
Modul 3: Hauptstudie: Einzelinterviews mit psychosozial belasteten und unbelasteten Müttern, jeweils mit und ohne Hilfeannahme
- Qualitative, leitfadengestützte Interviews im Rahmen von ca. 1,5 -stündige Hausbesuchen
- Quantitative Erhebung mit einem strukturierten Selbstausfüller-Fragebogen zu familiären Belastungen und Ressourcen, Bekanntheit und Nutzung von Angeboten für Familien, Einstellungsmuster und Werthaltungen
Modul 4: Validierungsstudie: Fokusgruppen mit psychosozial belasteten Müttern
- Rückspiegelung der Ergebnisse der Hauptstudie an die Zielgruppe
- Diskussion, Einordnung, Validierung der Schlussfolgerungen
Publikationen
Sahrai, Diana / Bittlingmayer, Uwe H. (2024): Frühe Hilfen für alle? Erreichbarkeit von Eltern in den Frühen Hilfen.
Expertise. Materialien zu Frühen Hilfen, Band 18, NZFH
van Staa, Juliane / Renner, Ilona (2024): Perspektiven alleinerziehender Mütter mit kleinen Kindern
In: ZSE Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, Ausgabe 1/2024
van Staa, Juliane / Renner, Ilona (2022): Auswirkungen psychischer Erkrankungen auf die Elternrolle
In: Psychotherapeut, volume 67 (2022), pages 4–12
- In: Bundesgesundheitsblatt (2016) DOI 10.1007/s00103-016-2424-6 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016