Gesundheitsfachkräfte zur eigenen beruflichen Situation
Wie geht es Gesundheitsfachkräften im Arbeitsalltag? Welche Auswirkungen haben die Einschränkungen während der Corona-Pandemie auf die berufliche Situation von Gesundheitsfachkräften in den Frühen Hilfen? Ergebnisse der NZFH-Befragung
Auswirkungen der Corona-Krise auf den Arbeitsalltag der GFK
Wie wirken sich die Corona-Krise und die aktuell geltenden Beschränkungen konkret auf Ihren Arbeitsalltag aus? Was machen Sie in Ihrer täglichen Arbeit jetzt ggf. anders als vorher?
Im Zuge der Regelungen wie Kontaktbeschränkungen wurde die Beratungs- und Betreuungstätigkeit in den Familien überwiegend vom Hausbesuch auf die telefonische bzw. digitale Begleitung verlagert:
- So gibt jede zweite Fachkraft an, dass derzeit ausschließlich oder überwiegend Telefonberatungen anstelle von Hausbesuchen stattfinden.
- Zudem zeigt sich eine hohe Frequenz dieser neuen Form der Beratung, knapp jede vierte Befragte spricht von vielen bzw. regelmäßigen Telefonaten.
- Weiterhin wird angegeben, dass sich die Anzahl der Hausbesuche reduziert hat (21 Prozent) und auf die dringendsten Fälle beschränkt wird – zur Krisenintervention, bei sehr stark belasteten bzw. überforderten Familien oder zur Abklärung bzw. Abwendung einer drohenden Kindeswohlgefährdung (19 Prozent).
- Die Hausbesuche, die derzeit noch stattfinden, erfolgen unter Beachtung der geltenden Abstands- und Hygieneregeln oder auch im Freien.
"Hausbesuche werden nach Ampelsystem auf Dringlichkeit geprüft und eingeschränkt.“
"Festlegung genauer Telefontermine mit den Familien analog Hausbesuche, mind. 2 Telefonate/ Woche um Veränderungen/ Dynamiken in den Familien schneller erkennen und passgenau reagieren zu können."
Bewertung der Veränderungen & Maßnahmen durch die Fachkräfte
Wie bewerten Sie diese Corona-bedingten Veränderungen bzw. Maßnahmen in Ihrer täglichen Arbeit?
- Jede fünfte Fachkraft (19 Prozent) betont, dass die Maßnahmen angebracht und notwendig sind, um einen bestmöglichen Schutz sowohl für Familien, als auch für die Fachkräfte selbst zu gewährleisten.
- Die Befragten sehen aber auch eine Vielzahl an Problemen und Schwierigkeiten, die die Maßnahmen mit sich bringen:
- Gut jede Vierte spricht von herausfordernden, erschwerten und auch belastenden bzw. nicht zufrieden stellenden Arbeitsbedingungen. Wesentlich hierfür ist die Einschätzung, dass die Betreuung leidet und die Familien weniger intensiv begleitet werden können (22 Prozent) – es fehlen der persönliche Kontakt und das „Erleben“ der Familie, telefonisch ist kein richtiger Einblick möglich (21 Prozent).
- Zudem berichten einige Fachkräfte von der Sorge, in den Familien etwas zu „übersehen“, weil der „Blick auf das Kind“ fehlt (14 Prozent).
- Schwierigkeiten bei der telefonischen Beratung, insbesondere wegen mangelnder Deutschkenntnisse der Familien oder stark belastender Lebenslagen, nennen 9 Prozent der Befragten.
„Wir versuchen die Familien trotz der derzeitigen Krise so gut es geht aufzufangen, für sie da zu sein, sie wenn auch nur am Telefon zu beraten, zu begleiten und zu unterstützen.“
„Ich halte die Kontaktverbote aus medizinischer Sicht zwar für sinnvoll, aber aus psychosozialer Sicht für sehr gefährlich.“
„Es ist schwierig sich ein Bild von einer Familie zu machen, wenn man sie nicht besuchen kann. Einschätzungen der Familie, Kindeswohlgefährdung. Das ist eine sehr unbefriedigende Situation für mich.“
Aufnahme neuer Familien während der Corona-Krise
Können Sie derzeit noch neue Familien aufnehmen?
- Jede dritte Fachkraft gibt an, dass sie derzeit keine neuen Familien mehr aufnehmen kann – unter den angestellt tätigen Fachkräften sind es knapp 40 Prozent.
- Als Hauptgründe für die Ablehnung einer Betreuung werden vor allem Maßnahmen im Kontext der Corona-Pandemie genannt: "Keine Hausbesuche", "fehlender Erstkontakt", "Einschätzung fremder Familien via Telefon kaum möglich". Des Weiteren wird angegeben, dass "Kapazitäten erschöpft" sind oder sie "mit bestehenden Familien und krankheitsbedingten Vertretungen ausgelastet" sind.
Persönliche wirtschaftliche Situation: Finanzielle Auswirkungen
Was Ihre persönliche wirtschaftliche Situation anbelangt, wie hoch schätzen Sie bisher den Ausfall ein, der Ihnen durch die Corona-Krise entstanden ist?
- Die Angaben sind erheblich davon abhängig, ob die Gesundheitsfachkraft angestellt oder freiberuflich tätig ist: So betreffen finanzielle Einbußen fast ausschließlich freiberuflich Tätige: 92 Prozent verzeichnen bereits finanzielle Ausfälle.
- Im Schnitt verzeichnen die freiberuflich tätigen Gesundheitsfachkräfte bislang fehlende Einnahmen von ca. 50 Prozent. Über ein Viertel (28 Prozent) schätzt ein Minus bis 75 Prozent bezogen auf einen durchschnittlichen Monat.
Bekanntheit von offiziellen Regeln & Empfehlungen von Verbänden/Ämtern
Sind Ihnen offizielle Empfehlungen bzw. Regelungen von Berufsverbänden / Landesverbänden oder Ämtern bekannt? Wenn ja, von wem?
- Der überwiegenden Mehrheit sind offizielle Informationen, Regelungen und Vorgaben bekannt (78 Prozent).
- Dabei zeigt sich, dass freiberuflich Tätige mit 85 Prozent noch etwas besser über offizielle Richtlinien informiert sind als angestellt Tätige (68 Prozent).
- Abhängig davon, ob die Gesundheitsfachkraft freiberuflich oder angestellt tätig ist, zeigen sich Unterschiede, welche Quellen sie für offizielle Empfehlungen und Regelungen nennen:
- Regelungen des Gesundheitsamtes sind beiden Gruppen gleichermaßen bekannt (17 Prozent).
- Freiberufliche GFK nennen als Hauptquelle Hebammenverband / Berufsverbände (31 Prozent). Auch das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) und die Frühen Hilfen, zum Beispiel Fachstellen oder Netzwerkkoordinierende, nutzen sie als Informationsquelle.
- Bei den angestellt Tätigen dienen neben dem Gesundheitsamt noch das Landratsamt sowie Allgemeinverfügungen als Quelle.
Gewünschte Unterstützung & Informationen
Welche Unterstützung und Informationen würden Sie sich in der aktuellen Situation für Ihre berufliche Situation und Ihre Betreuungsarbeit wünschen?
- Informationen und Unterstützung zur "Finanzierung", zum Beispiel finanzielle Unterstützung oder Abrechnungsmöglichkeiten, werden von 17 Prozent der Befragten genannt – wobei dieser Aspekt erwartungsgemäß aufgrund ihrer finanziellen Einbußen fast nur von den Freiberuflerinnen genannt wird.
- Viele Fachkräfte wünschen sich mehr "Orientierung" für ihre Arbeit in der Corona-Krise – in Form von Rückmeldungen und Empfehlungen, z.B. von Berufsverbänden oder dem NZFH (17 Prozent), sowie klaren bzw. einheitlichen Regelungen, z.B. für Hausbesuche (12 Prozent).
- Für ihre Betreuungsarbeit betonen die befragten Fachkräfte außerdem die Wichtigkeit von ausreichender Schutzausrüstung für die noch stattfindenden Hausbesuche sowie bessere technische Möglichkeiten, zum Beispiel für Videochats mit den Familien.
- 12 Prozent der Befragten geben explizit an, dass sie sich gut unterstützt und informiert fühlen.
"Direkte Anweisungen für unsere Verhaltensweise, handeln wir richtig, was gibt es noch für Möglichkeiten = Motivation für jetziges Vorgehen."
"Gute Koordination einer Zusammenarbeit mit anderen Netzwerk-Partnern (z.B.: SPFH, Amtsvormund, Therapeuten...). Feste Regelwerke für die Gestaltung der Betreuung der Familien in Krisenzeiten."