Zahlen und Fakten zum Schütteltrauma
Was ist ein Schütteltrauma? Was ist über die Auslöser und Gefahren bekannt? Definition, Fachinformationen und Ergebnisse einer repräsentativen Befragung zu frühkindlichem Schreien und Schütteltrauma
Definition Schütteltrauma
Ein Schütteltrauma ist eine Hirnverletzung, die durch heftiges, gewaltsames Schütteln von Säuglingen und Kleinkindern verursacht wird. Beim Schütteln schleudert der Kopf des Babys unkontrolliert hin und her. Denn der Säugling kann – wegen seiner schwachen Nackenmuskulatur – den Kopf nicht alleine halten. Durch das gewaltsame Schütteln wird das Gehirn im Schädel hin- und hergeworfen. Es können Blutgefäße und Nervenbahnen reißen.
In der Regel fehlen bei einem Schütteltrauma-Syndrom äußere Kennzeichen oder sie sind nur schwer erkennbar. Folgende Symptome können Kinder nach heftigem Schütteln zeigen:
- Blässe
- Reizbarkeit
- Apathie
- Erbrechen
- Krampfanfälle
- Atemaussetzer
Gesundheitliche Folgen des Schütteltraumas 10 bis 30 Prozent der geschüttelten Kinder, die in eine Klinik gebracht werden, sterben. Rund zwei Drittel der Babys, die ein diagnostiziertes Schütteltrauma überleben, erleiden verzögerte bzw. chronische Schäden wie:
- Seh- und Sprachstörungen
- Lern- und Entwicklungsverzögerungen
- Krampfanfälle
- schwerste bleibende körperliche und geistige Beeinträchtigungen
Nur schätzungsweise 10 bis 20 Prozent der Säuglinge überleben ein diagnostiziertes Schütteltrauma ohne bleibende Schäden.
Folgen nach der Diagnose Schütteltrauma
Prävalenz von Schütteltrauma
Misshandlungsbedingte Kopfverletzungen, zu denen in erster Linie das Schütteltrauma zählt, sind bei Säuglingen und Kleinkindern die häufigste nicht natürliche Todesursache. Jährlich werden schätzungsweise zwischen 100 und 200 Säuglinge und Kleinkinder mit Schütteltraumata in deutsche Kliniken gebracht.
Fachleute gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, da nicht alle betroffenen Kinder medizinisch behandelt werden. Sie vermuten, dass geistige und körperliche Beeinträchtigungen bei Kleinkindern teilweise auf früheres, nie diagnostiziertes Schütteln zurückzuführen sind.
Babyschreien als Hauptauslöser
Die tägliche Schreidauer ist bei Babys ab der 2. Lebenswoche bis zur 6. Lebenswoche mit über zwei Stunden im Durchschnitt am höchsten und sinkt danach deutlich auf durchschnittlich unter eine Stunde nach der 12. Lebenswoche.
Gerade in den ersten Monaten scheinen viele Schreianfälle unvorhersehbar. In bis zu 10 Prozent der Schreianfälle ist das Baby untröstlich. Alle Versuche der Eltern, das Kind zu beruhigen, bleiben erfolglos. Dies kann bei den Eltern Gefühle der Hilflosigkeit, Frustration und Wut auslösen und schließlich zum Schütteln des Kindes im Affekt führen.
Anhaltendes Babyschreien gilt als Hauptauslöser für das Schütteln. Der Hauptzeitraum für ein Schütteltrauma liegt zwischen zwei und fünf Monaten und überlappt sich mit dem Hauptschreialter. Geständige Täterinnen und Täter geben übereinstimmend das Schreien des Kindes als auslösenden Faktor an. Deutsche und internationale Studien zeigen, dass die Verursacher von Schütteltrauma häufiger männlich als weiblich sind.
Schreidauer von gesunden Säuglingen von 2 bis 12 Wochen
Ursachen für unstillbares Schreien
Die noch immer verbreitete Ansicht, dass das Schreien in den ersten Lebensmonaten auf Probleme des Darmtrakts (»Dreimonatskoliken«) zurückzuführen sei, ist nach heutigen Erkenntnissen nicht mehr zutreffend. Heute geht man davon aus, dass das Schreien mit verschiedenen Reifungsprozessen zusammenhängt. In den ersten Lebensmonaten lernt der Säugling in einem Anpassungs- und Reifungsprozess und mit der Unterstützung seiner Betreuungspersonen Schlaf- und Wachzustände, Hunger und Sättigung zu regulieren.
Exzessives Schreien
Nach der sogenannten Dreierregel von Morris A. Wessel aus dem Jahr 1954 schreit ein Säugling exzessiv, wenn die tägliche Schreidauer über drei Wochen an mindestens drei Tagen einer Woche bei mindestens drei Stunden liegt. Je nach angewandter Definition schreien zwischen 5 und 19 Prozent der Säuglinge exzessiv. Exzessives Schreien wird zu den frühkindlichen Regulationsstörungen gezählt.
Professionelle Hilfe suchen
Auch Eltern, deren Säuglinge deutlich weniger schreien als Säuglinge, die nach der Definition der Dreierregel von Wessel exzessiv schreien, können sich durch das Babyschreien massiv belastet fühlen. Anhaltendes, unstillbares Schreien kann bei Betreuungspersonen zu starker Erschöpfung und den oben beschriebenen Gefühlen der Hilfslosigkeit, aber auch Ärger und Wut führen.
Die Anspannung und Erregung der Eltern überträgt sich auf das Kind und die vielen verschiedenen Beruhigungsversuche können zu einer weiteren Überreizung des Säuglings führen: Es entsteht ein Teufelskreis und die Beziehung zwischen Säugling und Bezugsperson ist gestört.
Deshalb sollten sich Eltern, die vom Schreien ihres Kindes stark verunsichert sind, sich erschöpft fühlen und in Folge dessen ihrem Kind gegenüber negative Gefühle empfinden, frühzeitig professionelle Hilfe zum Beispiel in einer sogenannten Schreiambulanz, Kinderarztpraxis oder einer Familien- und Erziehungsberatungsstelle suchen.
Großer Aufklärungsbedarf in der Bevölkerung
Um den Wissensstand in der Bevölkerung zum Thema Schütteltrauma und Babyschreien zu erheben, hat das NZFH eine bundesweite Repräsentativbefragung in Auftrag gegeben. Die telefonische Befragung wurde im Mai 2017 mit 1.009 Frauen und Männern zwischen 16 und 49 Jahren durchgeführt und zeigt einen großen Aufklärungsbedarf sowohl über die Gefahren des Schüttelns als auch über frühkindliches Schreiverhalten.
42 Prozent der Befragten haben noch nie den Begriff Schütteltrauma gehört. 24 Prozent der Befragten unterliegen dem Irrtum, dass Schütteln für ein Baby »vielleicht nicht so schön sei, ihm aber auch nicht schade«. Zwei Drittel der Befragten weiß nicht, dass es im ersten Lebensjahr eines Babys eine besondere Schreiphase gibt. 21 Prozent der Befragten meinen, dass Eltern etwas falsch machen, wenn Kinder im Säuglingsalter sehr viel schreien. 18 Prozent der Befragten können sich vorstellen, dass „Babys manchmal nur schreien, um zu ärgern“.