Praxisbeispiele: Frühe Hilfen in ländlichen Regionen
Wie gelingt es Fachkräften, Familien in ländlichen und abgelegenen Regionen zu erreichen? Welche Angebote werden angenommen? Welche Kooperationen haben sich bewährt? Beispiele aus der Praxis bieten Anregungen und Ideen.
Die Zusammenstellung beruht in erster Linie auf einer Expertise des Instituts für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik (ISG) sowie einer Studie des Instituts für Sozialforschung, Praxisberatung und Organisationsentwicklung (iSPO) – beide im Auftrag des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH).
Sie wird gerne erweitert. Senden Sie dazu Beispiele aus Ihrem Netzwerk oder Landkreis per E-Mail an: redaktion(at)fruehehilfen.de
Mobile Angebote: Aufsuchend und niedrigschwellig
Eine Familienhebamme und eine Erzieherin sind im Kreis Oldenburg regelmäßig mit einem Kleinbus unterwegs. Unter dem Titel "Café Kinderwagen" und "Café Bobbycar" steuern die Mitarbeiterinnen des Teams Frühe Hilfen auch abgelegenere Orte oder Orte mit besonderem Entwicklungsbedarf an. Auf Wende- oder Parkplätzen an zentralen Punkten im Ort, direkt im Quartier und auf Spielplätzen suchen sie Kontakt zu Familien.
Der Kleinbus bringt mit: zahlreiche Spielsachen, Tische, Bänke und einen Pavillon. Bei Kaffee und Obst haben die Eltern die Gelegenheit, mit den Fachkräften und miteinander in Austausch zu kommen.
Aufgabe der Fachkräfte ist es, die Eltern miteinander zu vernetzen und für Fragen rund um die Themen Gesundheit und Erziehung von Babys und Kleinkindern unter 3 Jahren zur Verfügung zu stehen. Die Kinder und ihre älteren Geschwister können die mitgebrachten Materialien des Busses zum Spielen nutzen. Das Angebot funktioniert ohne Anmeldung:
Im Vogelsbergkreis gibt es ein Netzwerk aus mehr als 20 Fachkräften, die mobile Erziehungsberatung anbieten. Die Beratung findet nicht zentral an einer Stelle statt, sondern wird kreisweit in Kooperation mit vielen Anbietern umgesetzt. Auf Wunsch können die Gespräche auch bei Familien zuhause durchgeführt werden.
Die Fachkräfte im Netzwerk bieten Familiengespräche, Elternberatungen sowie Einzelberatung von Müttern, Vätern, Kindern und Jugendlichen an.
https://www.vogelsbergkreis.de/buerger-service/familie-kinder-jugend/erziehungsberatung/
Ein Anhänger mit Spiel- und Bewegungselementen für Kinder von 0 bis 3 Jahren ist ein neues Angebot der Frühen Hilfen im Landkreis Germersheim. Zielgruppe des Baby-Bewegungsanhängers ("BBA") sind Familien mit Babys und Kleinkindern, Krabbelgruppen oder Personen der Tagespflege.
Die vielfältigen Spiel- und Spaßangebote zielen darauf ab, zwanglos und niedrigschwellig Zugang zu den Familien mit kleinen Kindern im Landkreis zu erhalten. Vor Ort sind zwei Fachkräfte des Teams Frühe Hilfen, die den Besuchenden direkt Tipps für den Familienalltag geben können oder sie über Angebote der Frühen Hilfen und andere Unterstützungsmöglichkeiten aufklären können.
Die Stationen für den Baby-Bewegungsanhänger werden mit den Häusern der Familie innerhalb des Landkreises oder den Familienbüros vor Ort ausgewählt.
Integrierte Angebote: Anknüpfend an bestehende Strukturen
Im Landkreis Emsland wurden insgesamt 28 Familienzentren gegründet, die flächendeckend verteilt sind, in jeder Stadt oder Gemeinde ein Familienzentrum. Als wohnort- und alltagsnahe Begegnungsorte für Familien sind sie vorrangig an Kindertagesstätten angegliedert.
Neben Bildungs- und Betreuungsangeboten halten sie weitere Unterstützungs- und Beratungsangebote für Familien vor, die junge Eltern beispielsweise bei Erziehungsfragen unterstützen sollen. Dazu gehören auch Elterncafés und Eltern-Kind-Gruppen.
Das Angebotsspektrum der Familienzentren ist jeweils unterschiedlich und orientiert sich an den Gegebenheiten und Bedarfen vor Ort. Bei der Umsetzung von Angeboten wird auch ehrenamtliches Engagement einbezogen.
Auf Beschluss des Jugendhilfeausschusses im Jahr 2011 wurde im Eifelkreis Bitburg-Prüm das Konzept "FaBi-FrüHi-Kita – Familienbildung und Frühe Hilfen an Kindertagesstätten" implementiert. Erst modellhaft, dann als feststehendes Programm, wurden alle 56 Kindertagesstätten Landkreises von den zuständigen Familienbildungsstätten vor Ort betreut und Familienbildungsangebote initiiert.
Als Weiterentwicklung sind im Eifelkreis inzwischen 14 Familienzentren fest installiert. Anfang 2022 haben sie nach fast zweijähriger Entwicklungszeit ein Leitbild als Grundlage für die zukünftige Arbeit veröffentlicht. Darin ist jede Kita - als Teil des Familienzentrums - Bindeglied für die Angebote der Familienberatung und Familienbildung.
Fünf regionale Familienzentren der AWO fungieren als "sozialräumliche Verbundsysteme".
Im Rahmen der Familienzentren arbeiten die sozialen, familienorientierten Einrichtungen (zum Beispiel Kitas, Schulen, Beratungs- und Bildungsstellen) aus der jeweiligen Region eng zusammen. Ziel ist es, durch einen regelmäßigen Austausch die Bedarfe der Familien schneller zu erkennen und entsprechend decken zu können.
Jedes Familienzentrum wird von einer Fachkraft koordiniert, die eine Schnittstelle in der Vernetzung bildet und je nach Bedarfsanalyse Angebote initiiert. Die Koordinationskräfte sind Anlaufstelle sowohl für Familien als auch für pädagogische Fachkräfte.
Neu seit 2022 ist das regelmäßige Angebot der Elternlotsen: In jedem Familienzentrum bieten Fachkräfte einmal im Monat eine Sprechstunde für alle Fragen und Anliegen zu den Themen Schwangerschaft, Geburt und Kleinkindzeit an und vermitteln ggf. weiter.
Der Landkreis Germersheim hat flächendeckend Häuser der Familie eingerichtet, anknüpfend an die bestehenden Familienbüros. In Kooperation mit den Verbandsgemeinden, Städten und Trägern im Landkreis stellen die acht Häuser der Familie regionale lebensweltnahe, im Sozialraum verankerte Anlaufstellen für Familien dar. Sie bieten umfassende Informations- und Beratungsangebote und schaffen Zugänge zu allen Leistungsbereichen im Sozialraum, zum Beispiel zu Frühen Hilfen, Kinderschutz und Kindergesundheit, Kindertagespflege und Familienleistungen.
Die Rahmenkonzeption mit gemeinsam getragenen Qualitätsmerkmalen für die Häuser der Familie wurden mit allen relevanten Akteuren erarbeitet. Jedes Haus der Familie wird von einer hauptamtlichen Fachkraft koordiniert. Die Gesamtkoordination aller Standorte liegt beim Landkreis.
Mitwirkung von freiwillig Engagierten
Im Landkreis Elbe-Elster haben die Verantwortlichen gute Erfahrungen mit der Gewinnung von ehrenamtlichen Familienpatinnen und Familienpaten gemacht. Insgesamt etwa 55 Freiwillige sind stabil im Einsatz und unterstützen die Fachkräfte bei der Begleitung von Familien. Im Netzwerk Gesunde Kinder des Landes Brandenburg sind rund 1.000 Ehrenamtler in Familienpatenschaften aktiv.
Als Erfolgsfaktoren für die Akquise der Freiwilligen werden im Kreis Elbe-Elster genannt:
- Regelmäßige landkreisweite Freiwilligen-Akquise über verschiedene Medien und persönliche Ansprache in den Landkreis-Strukturen (inklusive Kirchengemeinden, Vereinen usw.)
- Schulung der Freiwilligen
- Genaues Matching zwischen Freiwilligen und Familien
- Enge Begleitung durch eine zuständige Koordination
- Kostenfreie Supervision
- Kostenfreie Tagesfahrt für alle Freiwilligen einmal im Jahr