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Fit für den Kinderschutz – Anforderungen an Ausbildung, Einarbeitung und Fortbildung

Am 26. und 27. November 2020 fand das dritte "Fachgespräch Kinderschutz" statt. Im Rahmen eines Online-Workshops diskutierten 60 Expertinnen und Experten zwei Tage über die Anforderungen an die Ausbildung, Einarbeitung und Fortbildung von Fachkräften für die Arbeit im Kinderschutz.

Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen (NZFH) hat dazu Vertreterinnen und Vertreter aus Jugendämtern/Allgemeinen Sozialen Diensten, Hochschulen, Wissenschaft, Verbänden und von Fortbildungsträgern sowie Vertreterinnen und Vertreter aus Länderministerien und dem Bundesfamilienministerium eingeladen.

Ziel des Workshops war es, die Anforderungen an die Qualifikation von Fachkräften im Kinderschutz in den Blick zu nehmen und den Weiterentwicklungsbedarf der Ausbildung, Einarbeitung und Fortbildung zu diskutieren. Den Einstieg in die Themen bildeten jeweils zwei Impulsreferate. Die anschließende Diskussion erfolgte in Kleingruppen und im Plenum.

Hintergrund

Vielfältige Wissensbestände und ein Spektrum an sozialpädagogischen (Methoden-) Kompetenzen sind wesentliche Voraussetzungen, um sich als Fachkraft im Kinderschutz sicher bewegen zu können und der erheblichen Verantwortung gerecht zu werden. Die Analysen von Fallverläufen, die zusammen mit unterschiedlichen Jugendämtern und Fachkräften in den vergangenen Jahren im Projektbereich durchgeführt wurden, deuten auf Qualifikationsbedarf von Fachkräften im Kinderschutz hin, etwa zu Methoden der Beratung von unfreiwilligen Klientinnen und Klienten oder zum besseren Erkennen und Bewerten von Risikofaktoren.

Da Jugendämter aufgrund des Fachkräftemangels zunehmend Berufseinsteigerinnen und -einsteiger einstellen, erscheint eine Diskussion der Ausbildungsinhalte, aber auch der Einarbeitungskonzepte aktuell von besonderer Bedeutung. Art und Umfang der Methoden, die im Studium vermittelt werden, unterscheiden sich von Hochschule zu Hochschule sehr. Darüber hinaus hat die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen das Studium der Sozialen Arbeit erheblich verändert. Zugleich fehlt bisher eine Verständigung darüber, welches spezifische Wissen und welche Kompetenzen im Hinblick auf die Arbeit im Kinderschutz in der Ausbildung überhaupt vermittelt werden können oder sollen, und was darüber hinaus in der Einarbeitung im Jugendamt geleistet werden muss.

Neben Ausbildung und Einarbeitung spielt Fort- und Weiterbildung eine erhebliche Rolle beim Kompetenzerwerb im Kinderschutz. Hierbei geht es nicht nur darum, Neu- oder Quereinsteigerinnen und -einsteiger für den Kinderschutz zu qualifizieren, sondern auch erfahrene Fachkräfte auf den aktuellen Stand zu bringen und neue Erkenntnisse sowie spezifische Methoden und Kompetenzen zu vermitteln. Die Angebotspalette an Fortbildungen ist groß. Jedoch wurde bisher keines der jeweils zugrundeliegenden Konzepte evaluiert. Entsprechend schwer fällt es zu benennen, welche Effekte Fortbildungen haben und wie sich die darin vermittelten Verfahren auf die Praxis im Kinderschutz auswirken.

Begrüßung und Einstieg

Das Fachgespräch wurde von Dr. Christina Boll, Leiterin der Abteilung Familie und Familienpolitik am Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI), Mechthild Paul, Leiterin des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH), und Almut Hornschild, Leiterin des Referats Kinderschutz, Prävention sexueller Gewalt, Stiftung Frühe Hilfen im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), eröffnet.

Nach einer kurzen Einführung durch Christine Gerber, Leiterin des Projekts Qualitätsentwicklung im Kinderschutz im NZFH, DJI, stellte Dr. Thomas Mühlmann von der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik der Technischen Universität Dortmund aktuelle Zahlen zur Personalsituation in Jugendämtern vor. Im Mittelpunkt des Vortrages stand die Altersstruktur der Beschäftigten in den Allgemeinen Sozialen Diensten (ASD).

Personalsituation im Kinderschutz aus der Sicht von Jugendämtern

In daran anschließenden Impulsreferaten diskutierten Dr. Susanne Heynen, Leiterin des Jugendamtes Stuttgart, und Anselm Brößkamp, Leiter des Kreisjugendamtes Plön, die Herausforderungen im Personalmanagement, vor denen Jugendämter stehen, wenn sie den anspruchsvollen Aufgaben im Kinderschutz gerecht werden wollen. Im Mittelpunkt ihrer Vorträge standen unter anderem die Vielfalt der Tätigkeiten im ASD und die daraus resultierenden hohen Anforderungen an die Qualifikation der Fachkräfte. Die Referierenden beschrieben, wie Jugendämter bei hoher Personalfluktuation und unterschiedlichem Qualifikationsniveau der Fachkräfte versuchen, Standards zu gewährleisten, und wo aus ihrer Sicht Weiterentwicklungsbedarf bei der Personalakquise besteht.

Im Anschluss an die Impulsreferate wurden sowohl in Kleingruppen als auch im Plenum über Herausforderungen und Strategien der Nachwuchssicherung im Jugendamt diskutiert.

Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen der Diskussionen in Kleingruppen sowie im Gesamtplenum im Überblick

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Einarbeitung, Fortbildung und Ausbildung von Fachkräften für die Arbeit im Kinderschutz

Die Themenbereiche Einarbeitung, Fortbildung und Ausbildung im Kinderschutz wurden jeweils durch zwei Impulsreferate eingeleitet. In den anschließenden Diskussionen in den Breakoutsessions sowie im Plenum wurden vor allem Entwicklungsbedarfe aufgedeckt und Empfehlungen und Anregungen für den weiteren Diskurs entwickelt.

Den Einstieg bildete das Impulsreferat von Dr. Jürgen Strohmaier, Leiter des Referats Hilfe zur Erziehung im Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) in Baden-Württemberg. Er diskutierte in seinem Vortrag die Rolle von Landesjugendämtern bei der Einarbeitung und Fortbildung von Fachkräften am Beispiel des KVJS.

Im zweiten Impulsvortrag stellte Christine Gerber konkrete Anforderungen an die Kompetenzen der Fachkräfte für die Arbeit im Kinderschutz sowie noch ungedeckte Qualifikationsbedarfe vor. Die Grundlage ihres Vortrages bildeten Erkenntnisse aus der Analyse von problematischen Fallverläufen im Kinderschutz sowie Ergebnisse einer Befragung von Jugendamtsfachkräften.

Prof. Dr. Heinz Kindler, Leiter der Fachgruppe Familienhilfe und Kinderschutz am Deutschen Jugendinstitut e.V., befasste sich in seinem Input mit der Fortbildung im Kinderschutz. Ausgehend von einer kritischen Auseinandersetzung mit der Qualität der angebotenen Fortbildungen entwarf er ein Kompetenzmodell für das Kinderschutzhandeln, das als Grundlage für ein Anforderungsprofil von Fortbildungen dienen könnte.

Dr. Ulrike Hoffmann, Leiterin der Arbeitsgruppe Wissenstransfer, Dissemination, E-Learning am Universitätsklinikum Ulm, stellte in ihrem Beitrag Inhalte und Erfahrungen mit den Online-Kursen Kinderschutz der Universität Ulm vor.

Dr. Ulrike Hoffmann, Universitätsklinikum Ulm:

Prof. Dr. Maud Zitelmann von der Frankfurt University of Applied Science und Prof. Dr. Reinhold Schone befassten sich schließlich in ihren beiden Vorträgen mit der Frage, welche Rolle Kinderschutzthemen derzeit im Studium der Sozialen Arbeit spielen und wo Weiterentwicklungsbedarf besteht.

In mehreren Breakoutsessions und Diskussionen im Plenum wurden die Themen Ausbildung, Einarbeitung und Fortbildung vertiefend diskutiert.

Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen im Überblick

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Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen im Überblick

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Zentrale Ergebnisse und Empfehlungen im Überblick

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Fazit und Ausblick

Das Fachgespräch hat deutlich gemacht, wie wichtig die Themen Ausbildung, Einarbeitung und Fortbildung von Fachkräften für die Qualitätsentwicklung im Kinderschutz sind. Die Teilnehmenden des Fachgespräches empfehlen daher einhellig, diesen Diskurs fortzusetzen.

Aufgrund unterschiedlicher Akteure (z. B. Hochschulen, (Landes-)Jugendämter, Fortbildungsinstitute) und unterschiedlicher Verantwortlichkeiten (z. B. Bund, Wissenschaftsministerien der Länder, Jugend- und Familienministerkonferenz, Hochschulen und Hochschulrektorenkonferenz, Kommunale Spitzenverbände) in diesem Feld, ist es unverzichtbar, Bedarfe, Ansatzpunkte und mögliche Strategien gemeinsam zu diskutieren und gemeinsam Empfehlungen zu erarbeiten.

Fallanalysen können wichtige Hinweise auf Qualifikationsbedarfe der Fachkräfte liefern. Die Ergebnisse sollten daher systematisch aufbereitet werden, damit sie von den Jugendämtern, Hochschulen und Fortbildungsträgern für die Weiterentwicklung der Einarbeitungskonzepte bzw. der Curricula genutzt werden können. Das NZFH kann hierzu im Rahmen des Projektes "Qualitätsentwicklung im Kinderschutz/Lernen aus problematischen Fallverläufen" einen Beitrag leisten.

Um die Qualitätsentwicklung im Kinderschutz über die kommunalen und Ländergrenzen hinweg langfristig voranzubringen, Ansätze zu bündeln und die unterschiedlichen Akteure zusammenzubringen, bedarf es einer geeigneten institutionellen Verortung des Auftrages. Geeignet hierfür könnte die Einrichtung eines "Kompetenzzentrum Kinderschutz" analog zum NZFH sein.

Der Schutz von Kindern ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Um ihn zu gewährleisten, müssen die jeweiligen Akteure mit entsprechendem Wissen und den notwendigen Kompetenzen ausgestattet sein. Zugleich müssen alle Beteiligten über die Aufgaben und Arbeitsweisen der jeweils anderen Akteure informiert und in der Lage sein, erfolgreich im Sinne des Kinderschutzes zu kooperieren. Insofern müssen kinderschutzrelevante Themen auch in die Ausbildung und Fortbildung anderer Disziplinen einfließen. Um den interdisziplinären Kinderschutz zu stärken und die Kooperation der Disziplinen zu verbessern, wurde die Einrichtung von Kompetenzzentren der Länder für interdisziplinäres Lernen im Kinderschutz oder interdisziplinären Studiengängen oder Seminarreihen diskutiert.

Kinderschutz ist eine hochkomplexe, anspruchsvolle Aufgabe, die sowohl Spezialwissen als auch spezifische Methodenkompetenz erfordert. Damit Fachkräfte langfristig bereit sind, diese Aufgabe und die damit verbundene Verantwortung zu übernehmen und entsprechend in ihre Fort- und Weiterbildungen zu investieren, braucht es entsprechende Anreize. Zertifikate des Bildungssystems müssen mit entsprechenden Gratifikationen auf dem Arbeitsmarkt hinterlegt sein. Darüber hinaus sollten neben dem Entgelt auch Aufstiegsperspektiven für spezialisierte Fachkräfte im Kinderschutz diskutiert werden.