Workshop "Kommunale Praxis"
Die teilnehmenden Akteure und Fachkräfte der kommunalen Praxis tauschten sich über Methoden der Fallanalysen und deren Auswertungen sowie wichtige Voraussetzungen für Lern- und Transferprozesse in den Kommunen aus.
Die Teilnehmenden sprachen sich in dem Workshop – neben der Möglichkeit, Fälle nach der erprobten Methode zu analysieren – für eine weniger komplexe und (zeit-)aufwendige Fallanalysemethode aus, die es den Jugendämtern ermögliche, kritische Fälle häufiger und ohne externe Begleitung zu reflektieren. Als Beispiel aus dem Gesundheitswesen führten sie in diesem Kontext "Balintgruppen" an, Arbeitsgruppen von Ärztinnen und Ärzten mit einer psychotherapeutischen Fachkraft, die ihnen durch den Austausch über problematische Fälle und Patienten einen Reflexionsraum für kritische Ereignisse böten. Wichtig sei dabei, dass möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Analyse eines Falles profitieren: das gesamte Team sollte in einen Analyseprozess einbezogen werden und es sollte außerdem eine Vermittlung der Ergebnisse aus den Analyseprozessen an andere Organisationseinheiten stattfinden. Auch Fachkräfte weiterer Professionen, beispielsweise aus dem Gesundheitswesen, sollten in die Analysen miteinbezogen werden, wobei bisher ungelöste datenschutzrechtliche Fragen berücksichtigt werden müssen.
Weiterhin sei es sinnvoll, die Ergebnisse aus Fallanalysen in laufende Qualitätsentwicklungsprozesse einfließen zu lassen, sodass sie nachhaltig wirken könnten. Für die Qualitätsentwicklungsprozesse wäre die Nutzung von kommunalen Steuerungs- und Vernetzungsstrukturen zu empfehlen (§ 3 KKG). Zudem wäre es empfehlenswert, die Ergebnisse aus den Analysen problematischer Fallverläufe an die Vertreterinnen und Vertreter der Politik zu vermitteln bzw. für diese zu "übersetzen". Konsens bestand dahingehend, dass Fallanalysen auch ohne Druck der Öffentlichkeit und nicht nur zur Legitimation des eigenen Handelns stattfinden sollten. Sofern eine Fallanalyse im Rahmen eines Gutachterauftrages durchgeführt werde, sei es aus der Sicht der Teilnehmenden des Workshops außerdem von Bedeutung, Aktivitäten zu anschließenden Lern- und Transferprozessen bereits bei der Auftragsvergabe mitzudenken.
Da die Ressource "Zeit" in Jugendämtern oftmals fehle, plädierten die Teilnehmenden für die Einrichtung einer "Koordinationsstelle Kinderschutz" in jedem Jugendamt Auf diese Weise würde ein Raum geschaffen, der es ermögliche, sich mit den für die Qualitätsentwicklung im Kinderschutz relevanten Themen gezielt und gründlich zu befassen. Die Expertise der Eltern in Qualitätsentwicklungsprozessen, die bisher häufig außer Acht gelassen werden, könnte über die Etablierung von Ombudsstellen in die Qualitätsentwicklung im Kinderschutz einfließen.
Die Frage, welche Voraussetzungen für Lern- und Transferprozesse in den Kommunen geschaffen werden müssten, bezog sich neben der kommunalen Ebene auch auf Länder- und Bundesebene. Dabei entstand der Vorschlag, die oben genannte, "niederschwellige" Fallanalysemethode durch eine externe Stelle entwickeln zu lassen und gegebenenfalls Moderatorinnen und Moderatoren aus den Reihen der Jugendämter für die Durchführung dieser Analysen ausbilden zu lassen. Weiterhin wäre es sinnvoll, eine übergeordnete Stelle zu schaffen, in der die Ergebnisse der Fallanalysen aus den verschiedenen Kommunen zentral gesammelt und systematisiert aufbereitet werden. Zudem wäre für die Jugendämter eine vergleichende Aufbereitung der diversen Fallanalysemethoden mit Blick auf ihre Funktion, Verfahrensabläufe, Voraussetzungen etc. hilfreich.
Auch ein Ausbau der Kooperationen mit örtlich ansässigen Hochschulen könne sinnvoll sein. Im Rahmen von Praxisprojekten könnten Studierende weniger problematische oder auch positiv verlaufene Kinderschutzfälle analysieren. Abschließend stand die Forderung der kommunalen Vertreterinnen und Vertreter nach mehr Unterstützung seitens der Landesjugendämter bei der Durchführung von Fallanalysen.