Workshop "Wissenschaft und Lehre"
Die Teilnehmenden diskutierten zu verschiedenen Aspekten und möglichen Beiträgen der Wissenschaft und Lehre zu einer Weiterentwicklung der Kinderschutzpraxis und einem Lernen aus Fehlern und Fallanalysen.
Sie brachten ein, dass es eine z.T. sehr unterschiedliche Praxis im Kinderschutz in den Jugendämtern gibt und insofern kein einheitliches Vorgehen bei der Fallbearbeitung anzunehmen sei. Kinderschutzarbeit solle jedoch nicht abgetrennt vom Feld der Sozialen Arbeit sowie der Kinder- und Jugendhilfe betrachtet werden. Da sich Fachkräfte Sozialer Arbeit nur zögerlich für die Qualitätsentwicklung notwendiges Wissen aneigneten, seien die Gestaltung der Qualifizierung für die Kinderschutzarbeit und die erforderlichen Voraussetzungen besonders bedeutsam. Es gehe nicht nur um einen einseitigen Transfer von Erkenntnissen, sondern auch um eine Transformation des Wissens im fachlichen Handeln der Personen und Institutionen im Kinderschutz. Eine Verbesserung der Qualität der Ausbildung – beispielsweise analog der ärztlichen Ausbildung – hielten die Teilnehmenden auch im Hinblick auf den gesellschaftlichen Auftrag des Kinderschutzes für notwendig. Bei der Diskussion von Qualitätsproblemen im Kinderschutz sollte Qualität nicht zu eng gefasst werden, sondern im Rahmen von "Beziehungsorientierung", erhöhter Reflexivität und verbesserter Hilfeorientierung betrachtet werden. Eine zu enge Fokussierung auf "Wirksamkeit" und "Effektivität" bei der Untersuchung von Kinderschutzprozessen sei kritisch zu hinterfragen.
Ein Beitrag der "Wissenschaft" zur Qualitätsentwicklung im Kinderschutz sollte darin bestehen, relevantes Wissen – etwa über "gute Qualität" – zu erarbeiten und der Praxis in geeigneter Weise zur Verfügung zu stellen. Fehleranalysen seien dabei nur ein Teil notwendiger Forschungen. Wissenschaft müsse auch eigene Forschungsprioritäten setzen. Bislang fehlten beispielsweise Erkenntnisse, wie Eltern verstanden werden können, die ihre Kinder misshandeln oder vernachlässigen. Weiterhin fehlten Evaluationen von Eingriff- und Hilfekonzepten. Zudem könne Wissenschaft Hinweise erstellen, welche Fort- und Weiterbildungen für die Kinderschutzarbeit wichtig seien, wie sie gestaltet und wie sie evaluiert werden könnten. Wissenschaft müsse aber auch reflektieren, von welchen Modellen ausgehend sie Praxis untersuche. Gelegentlich würden Standards formuliert, die angesichts der vorhandenen Ressourcen der Praxis nicht realitätsgerecht seien. Es solle nüchtern von den realen, in der Regel begrenzenden Bedingungen der Praxis ausgegangen werden. Fehleranalysen könnten auch als Lernprozess für die daran beteiligten Fachkräfte wichtig sein und als eine Form partizipativer Forschung betrachtet werden. Sie könnten auch dazu beitragen, ein differenzierteres Qualitätsverständnis zu entwickeln.
Des Weiteren erörterten die Teilnehmenden, dass Fortbildungen im Kinderschutz mit Qualitätsentwicklung verbunden werden sollten, z.B. im Rahmen von Inhouse-Schulungen. Dabei könnten u.a. konkrete Umsetzungsfragen zu den Fortbildungsinhalten bearbeitet werden.
Zu klären sei jedoch, welche Mindeststandards zum Gelingen der Kinderschutzpraxis nötig seien und wie bestehende Praxisprobleme gelöst werden könnten. Verbindliche Standards seien wichtig, um das Handeln der einzelnen Fachkraft, aber auch der Institution zu stützen. Standards müssten jedoch wissenschaftlich begründet sein.
Einige Einwände zielten darauf ab, dass es keine bundesweiten Regelungen zu Standards und der Qualität im Kinderschutz gebe. Andere Länder – z.B. Schottland – seien an diesem Punkt weiter und hätten interessante Ansätze, wie beispielsweise "practise teaching" entwickelt, die in Deutschland genutzt werden könnten. Forschung könnte diese Entwicklung von Standards unterstützen.
Einige Ansätze des Transfers und damit des Lernens für die Fachpraxis lägen beispielsweise in Form des Handbuchs "Kindeswohlgefährdung nach § 1666 BGB und Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD)" oder der "Beiträge zur Qualitätsentwicklung im Kinderschutz" des NZFH bereits vor.