Freiwillige in den Frühen Hilfen wertschätzen und fachlich begleiten
Ein Beitrag von Prof. Dr. Luise Behringer und Prof. Dr. Heiner Keupp
Prof. Dr. Luise Behringer ist Psychologin an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, Abt. Benediktbeuern.
Prof. em. Dr. Heiner Keupp ist Sozialpsychologe und emeritierter Professor der Ludwig-Maximilians-Universität München. U.a. lehrt er gegenwärtig an der Freien Universität Bozen. 2015 haben sie gemeinsam ein Impulspapier zum freiwilligen Engagement in den Frühen Hilfen verfasst.
Der Stellenwert Bürgerschaftlichen Engagements in den Frühen Hilfen wird sowohl in der Begriffsbestimmung des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (2009) als auch in der Bundesinitiative Frühe Hilfen (2012–2017) mit dem "Aus- und Aufbau von Ehrenamtsstrukturen" ausdrücklich hervorgehoben. Im Blick sind dabei vor allem von Professionellen initiierte Projekte, in denen Ehrenamtliche zuvor definierte Aufgaben übernehmen, um Familien im Alltag zu entlasten.
Eine etwas weitere Perspektive auf Bürgerschaftliches Engagement lenkt den Blick auch auf Initiativen, in denen Eltern selbst aktiv werden. Gerade im Bereich Familie kommen die Impulse zu neuen sozialen Dienstleistungen häufig aus der Zivilgesellschaft. Ohne die vielen Elterninitiativen, die in neuen Formen solidarischen Miteinanders Orte für sich und ihre Kinder politisch erkämpft und erprobt haben, wären Mütter- und Familienzentren oder Mehrgenerationenhäuser heute nicht denkbar.
Betrachten wir Bürgerschaftliches Engagement in den Frühen Hilfen unter einer zivilgesellschaftlichen Perspektive, lassen sich drei Projekttypen herausfiltern, in denen jeweils eine spezifische Form Bürgerschaftlichen Engagements und professioneller Initiierung, Begleitung und Koordination erkennbar ist:
1. Präventionsprojekte, die von Hauptamtlichen geplant und durchgeführt werden, gezielt auf spezifische Bedürfnis- oder Risikolagen des Aufwachsens ausgerichtet sind und ehrenamtliche Helferinnen und Helfer ausbilden und einsetzen. Die Unterstützung durch Freiwillige zielt auf eine niederschwellige alltagspraktische Begleitung und Entlastung von Familien und eine Erweiterung ihres sozialen Beziehungsnetzes ab. Projekte wie z.B. "Wellcome", "Leihoma/-opa" oder "Familienpaten" zählen zu diesem Typus.
2. Projekte und Programme, die im Sinne des Empowerment-Prinzips von Professionellen angeregt und begleitet werden und Eltern zu Selbstorganisation und Selbsthilfeaktivitäten anregen und ermutigen. Im Zentrum dieses Typus steht die Stärkung der Elternkompetenz, von der eine fördernde Wirkung auf die Entwicklung der Kinder erwartet wird. Zu nennen sind hier Projekte wie "Elterntalk" oder "Stadtteilmütter".
3. Familienselbsthilfe, die komplexe sozialraumbezogene Angebote schafft, die in ihrer Entstehung und in ihren Abläufen weitgehend als selbstaktive Handlungsfelder bestimmt werden können. Zu diesem Typus gehören Nachbarschaftshilfen, Mütter- und Familienzentren sowie Mehrgenerationenhäuser, aber auch Eltern-Selbsthilfegruppen.
Zusammengenommen beinhalten all diese Projekte ein großes Potenzial an Unterstützungs- und Gestaltungsräumen für junge Familien. Es kann sich dann am besten entfalten, wenn Frühe Hilfen in Koproduktion von zivilgesellschaftlichen Initiativen und öffentlichen Trägern erbracht werden, die sowohl eine fachlich gute Begleitung des freiwilligen Engagements gewährleistet als auch Raum für den Eigensinn der Engagierten lässt. Ein professionelles Freiwilligenmanagement sowie eine verlässliche Koordination, die Vermittlungsarbeit leistet und darauf achtet und sicherstellt, dass Freiwillige sich nicht überfordern, indem sie beispielsweise professionelle Aufgaben übernehmen, ist dafür unabdingbar. Es sorgt für gute Rahmenbedingungen und die Erarbeitung und Einhaltung von Qualitätsstandards, was auch die Gestaltung einer Anerkennungskultur beinhaltet. Freiwillige entwickeln Ideen und/oder spenden einen Teil ihrer Zeit, um Familien im Alltag und beim Aufbau neuer sozialer Beziehungen zu unterstützen. Dafür gebührt ihnen nicht nur Anerkennung, sondern auch ein offenes Ohr für ihre Anregungen und Forderungen, denn sie sind im psychosozialen Feld ein wichtiger Impulsgeber für Innovation.