Wenn Frühe Hilfen an ihre Grenzen kommen ...
Von der Vermittlung weiterführender Hilfe bis zum Schutzauftrag
Fachkräfte in den Frühen Hilfen treffen immer wieder auf Familien, die mehr oder andere Unterstützung brauchen, als es das Aufgabenprofil der Frühen Hilfen vorsieht. Auch sehr erfahrene Fachkräfte und eine sehr klare Definition der Zielgruppe des Angebotes können nicht verhindern, dass sich im Laufe der Arbeit in der Familie z. B. eine Krise zuspitzt und intensivere Hilfe notwendig wird.
Wenn die Akteure feststellen, dass ihr Angebot nicht geeignet oder nicht ausreichend ist, um die Eltern und das Kind zu unterstützen, sollte den Familien der Zugang zu weiterführenden Hilfen wie Hilfen zur Erziehung, professionelle psychologische Unterstützung o. Ä. eröffnet werden.
In seltenen Fällen können Fachkräfte Anhaltspunkte haben, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist und Schutzmaßnahmen in Betracht gezogen werden müssen.1 Dann können die Fragen aufkommen: Wie kann ich mit den Eltern über solche Situationen sprechen? Welche Möglichkeiten habe ich, weiterführende Hilfe zu vermitteln? Welche Netzwerkpartner spreche ich an? Was kann ich tun, wenn Eltern sich weigern, weiterführende Hilfen in Anspruch zu nehmen? Was habe ich beim Daten- bzw. Vertrauensschutz zu beachten? Wen kann ich zur Beratung hinzuziehen?
Zahlen aus der Statistik der Kinderund Jugendhilfe zu den Gefährdungsmitteilungen deuten darauf hin, dass Fach- kräfte sehr frühzeitig – ggf. zu schnell – wegen des Verdachts auf Kindeswohlgefährdung ins System des Kinderschutzes überleiten. Ein Grund dafür könnte die Angst sein, einen Fehler zu machen, etwas zu übersehen oder strafrechtlich zur Verantwortung gezogen zu werden, falls ein Kind geschädigt wird. Insbesondere dann, wenn die eigenen Handlungsgrenzen wahrgenommen werden und Unsicherheiten entstehen, benötigen die Fachkräfte daher spezifisches Fachwissen, Kompetenzen in der Gesprächsführung, eine klare Haltung sowie unterstützende Strukturen – all jenes Handwerkszeug, um auf die folgende zentrale Frage fachlich qualifiziert antworten zu können: »Was können wir tun, damit diese Eltern und dieses Kind die geeignete Hilfe und ggf. den geeigneten Schutz erhalten?« Mitunter braucht es Mut, in schwierigen Situationen in der Familie zu bleiben, genau nachzufragen, authentisch zu sein und die eigenen Grenzen transparent zu machen. Fachwissen, eine reflektierte Haltung, Selbstvertrauen, dazu Unterstützung durch das Team, die Netzwerkkoordination und ggf. eine »Insoweit erfahrene Fachkraft« sind für Fachkräfte wichtig, um an Grenzen sicher und souverän handeln zu können.
Das NZFH unterstützt Fachkräfte u. a. durch verschiedene Materialien, etwa das neue Qualifizierungsmodul zu professionellem Handeln an den Schnittstellen zum Kinderschutz, sowie durch Tagungen und Netzwerkkonferenzen, die Raum für Diskussionen und Reflexionen bieten.
1 Gemäß §8a Abs. 4 SGB VIII oder §4 KKG haben auch die Frühen Hilfen im Falle eines konkreten Verdachts einer Kindeswohlgefährdung einen Schutzauftrag.
FRÜHE HILFEN aktuell
NZFH (Hrsg.) (2018): Grenzen und Übergänge: Wenn Frühe Hilfen an ihre Grenzen kommen
Frühe Hilfen aktuell 04/2018