Die Sensibilität ist gestiegen
Gefährdungseinschätzungen der Jugendämter 2018
Einmal jährlich veröffentlicht das Statistische Bundesamt Daten zur Kinder- und Jugendhilfe. Die Interpretation stellt oftmals selbst Fachkräfte vor Herausforderungen, denn die Zahlen können häufig keine direkten Antworten liefern. Vielmehr bilden sie die Aktivität der Jugendämter ab. Damit bietet die Statistik eine Datenquelle für Wissenserweiterung, Politikgestaltung und Praxisentwicklung – auch für die Frühen Hilfen.
Im Jahre 2018 wurden von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Allgemeinen Sozialen Diensten der Jugendämter 157.271 sogenannte »8a-Verfahren« bei Fällen möglicher Kindeswohlgefährdungen durchgeführt. In etwa jedem vierten Fall oder auch 36.468 Mal wurde dieses Verfahren für ein Kind im Alter von unter drei Jahren durchgeführt.
Damit ist diese Altersgruppe deutlich überrepräsentiert, was auf die besondere Vulnerabilität der Klein- und Kleinstkinder zurückzuführen sein dürfte. Allerdings kommt nicht jede Gefährdungseinschätzung eines Jugendamts zu dem Ergebnis, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliegt: Tatsächlich wurden in 30 Prozent der Fälle eine Kindeswohlgefährdung, in 33 Prozent Hilfe und Unterstützungsbedarf und in 37 Prozent weder eine Kindeswohlgefährdung noch ein Hilfebedarf festgestellt (s. Abb.). Zwischen 2015 und 2018 erhöhte sich die Zahl der Verfahren um rund 20 Prozent. Die Zahl der festgestellten (latenten) Kindeswohlgefährdungen stieg um etwa 15 Prozent auf 11.006. Beiden Entwicklungen ist gemeinsam, dass im Jahresvergleich zwischen 2017 und 2018 stärkere Zunahmen als für die Jahre vorher zu beobachten sind.
Die »eine« Erklärung für die Zunahmen gibt es nicht. Vielmehr greifen mehrere Faktoren ineinander. Hierzu gehört eine höhere Aufmerksamkeit für mögliche Gefährdungslagen im Umfeld der Familien, vor allem auch bei Institutionen wie Polizei und Ordnungsbehörden, dem Gesundheitsbereich oder den Einrichtungen und Diensten der Kinder- und Jugendhilfe. Möglicherweise ist die Sensibilität für Kindeswohlgefährdungen auch durch zusätzliche Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen gestiegen. Das wäre dann ein unmittelbarer Erfolg der Frühen Hilfen.
Um aber für die Frühen Hilfen ein umfassendes Bild zu bekommen, sind über die amtliche Statistik hinaus zusätzliche Forschungszugänge erforderlich wie zum Beispiel Repräsentativbefragungen von Eltern, Interviews mit Fachkräften sowie Expertinnen und Experten. Notwendig sind zudem vertiefende Analysen der Bedingungen und Wirkfaktoren, die Kindern ein gesundes und gewaltfreies Aufwachsen in ihren Familien ermöglichen. Dies gehört zu den zentralen Aufgaben des NZFH.