Familien mit Wertschätzung und Empathie begegnen
Ein Gespräch mit Kathrin Schumacher, über ihre Erfahrungen nach über zwanzigjähriger Tätigkeit als Hebamme und acht Jahren als Familienhebamme in Lübeck.
Das gesamte Interview liegt hier als Video vor, Auszüge sind auch im Infodienst "Bundesinitiative Frühe Hilfen aktuell" enthalten, erschienen im Juli 2014.
Was können Sie als Familienhebamme Familien anbieten?
Als Familienhebamme betreue ich in wöchentlich 20 Stunden insgesamt 12 Familien mit unterschiedlicher Intensität. Ich bin dort rein präventiv tätig, auch in Familien, die schon vom Jugendamt aufgefangen werden. Für mich ist es wichtig, möglichst schon am Anfang der Schwangerschaft in den Familien aktiv werden zu dürfen. Die Familien bereiten sich auf ein neues Kind vor, alte Gewohnheiten brechen auf, es gibt viele Chancen, sich für Neues zu öffnen, und das möchte ich gern nutzen. Rund um die Geburt ist die Hilfsannahmebereitschaft sehr groß. In dem Bereich bin ich tätig und möchte das auch sehr gern weiter tun.
Was muss eine Familienhebamme zu ihrer Hebammenausbildung dazu lernen?
Eine Familienhebamme muss sich gut auskennen mit Bindungstheorien, sie muss es erkennen können, wenn dort im Bindungsbereich Störungen auftreten, und sie muss in der Lage sein, Kompetenzen zu fördern. Sie muss sich mit Resilienzfaktoren auskennen, damit sie sehen kann, ob diese Kinder in dieser Familie ausreichend gefördert werden, ob andere, weitere Hilfen nötig sind.
Welche sind die wichtigsten Grundsätze Ihrer Arbeit?
Die wichtigsten Grundsätze sind natürlich die Familien an sich. Dass wir einfach schauen, wen wir haben und einfach neugierig darauf sind, wie sich Kinder in dieser Umgebung, mit den Ressourcen, die diese Familie aufweist, entwickeln können. Dass wir da auch empathisch arbeiten, dass wir jeden auf seine Art wertschätzen. Irgendetwas hat die Familie immer, was man positiv hervorheben kann, das finde ich schon sehr wichtig.
Wie sehen Sie die Perspektiven Ihrer Arbeit?
Wir sind nicht nur gut dafür, in die Familien hineinzukommen und sie zu unterstützen, wir sind auch sehr gut dafür, Familien zu helfen, das Gesundheitssystem und auch das Jugendhilfesystem anzunehmen. Da wünsche ich mir noch mehr Wertschätzung, auch in finanzieller Hinsicht.
Wo sehen Sie Grenzen Ihrer Tätigkeit?
Die Grenze der Familienhebammentätigkeit ist relativ schnell erreicht. Ich versuche da auch gar nicht lange allein in einer Familie zu arbeiten. Wenn ich merke, dass weiterführende Hilfe nötig ist, dann leite ich relativ schnell über. Die Hinzuziehung von weiterführenden Hilfen ist nicht unbedingt das Ende meiner Tätigkeit in dieser Familie, sondern ich kann dort begleitend weiterhin tätig sein, um beispielsweise bei Fragen der Ernährung und Pflege zu beraten. Das finde ich sehr schön und auch entlastend, wenn die Bereiche der Hilfe aufgeteilt werden können auf mehrere Professionen.
Haben Sie einen leichteren Zugang zu Familien als andere Professionen?
Die Offenheit der Familien ist enorm groß, wenn sie hören, es gibt professionelle Helfer, die nicht direkt am Jugendamt arbeiten. Ich als Familienhebamme habe keinen Kontrollauftrag. Ich kann die Familien unterstützen nach ihren Bedürfnissen, ihre Ressourcen aktivieren, und bin dort ohne Kontrolle tätig.
Können und müssen Sie sich vor Überforderung schützen?
Mein Frühe Hilfen-Team mit der ständigen Reflexion der Arbeit und der Frage, inwieweit meine eigenen Ressourcen auch noch vorhanden sind in der Familienhebammentätigkeit, schützt mich davor, mich zu schnell zu verbrauchen. Wir wollen ja alle noch mehrere Jahre in dem Berufsfeld tätig sein und auch gute Arbeit leisten, damit die Qualität nicht leidet durch eigene Überforderung.