Fachtagung in Bad Lauterberg: "Unterstützung von Anfang an!"
"Schwangerschaftsberatungsstellen als Brückenbögen zu Jugendhilfe und Gesundheitswesen" – zu diesem Thema veranstalteten das NZFH und die Abteilung Sexualaufklärung, Familienplanung und Verhütung der BZgA am 23. und 24. September 2008 in Kooperation mit den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege eine Fachtagung in Bad Lauterberg.
Die Veranstaltung soll eine Initiative für Kooperation und Vernetzung sein und fachliche Anregungen zur Weiterentwicklung regionaler Netzwerke Frühe Hilfen bieten.
Ein Recht auf Beratung
Schwangerschaftsberatungsstellen bieten Frauen und Paaren Information, Aufklärung und Beratung in allen Fragen einer Schwangerschaft an. Sie stellen Hilfe bereit in Lebenskrisen und bei Konflikten, die mit den jeweiligen persönlichen Ressourcen allein nicht mehr bewältigt werden können. Die Grundlage der Arbeit mit den Ratsuchenden ist ein umfassender Rechtsanspruch auf Beratung: Jedes Paar hat nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz das Recht auf Information und Beratung in allen eine Schwangerschaft unmittelbar oder mittelbar berührenden Fragen in einer hierfür vorgesehenen Beratungsstelle. Diese Beratung ist in der Regel kostenlos.
Beratungsstellen als Brückenbögen
Die Schwangerschaftsberatungsstellen bieten bereits während der Schwangerschaft und auch nach der Geburt des Kindes Unterstützung an. Sie sind daher eine zentrale Anlaufstelle für (werdende) Familien und erreichen frühzeitig auch Frauen und Familien in einer schwierigen Lebenslage (z.B. alleinerziehend, Armut) mit einem besonderen Hilfebedarf. Durch die Möglichkeit der Beantragung finanzieller Unterstützung der Bundesstiftung "Mutter und Kind - Schutz des ungeborenen Lebens", können schwangere Frauen in einer Notlage rechtzeitig Informationen und Angebote zu Frühen Hilfen von den Beratungsstellen erhalten. Somit sind Schwangerenberatungsstellen besondere Brückenbögen zu anderen Einrichtungen und Diensten der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe sowie des Gesundheitswesens.
Systematische Vernetzung erforderlich
Diese wichtige Funktion der Schwangerschaftsberatung ist jedoch im beruflichen Alltag der verschiedenen Einrichtungen und Dienste vor Ort zu wenig beachtet. Um Familien passgenaue Unterstützung anbieten zu können, ist eine Vernetzung auf lokaler Ebene notwendig, damit ihnen zeitnah niedrigschwellige und wirksame Hilfen eröffnet werden können. Um diese frühzeitige Hilfeleistung und die Schnittstellen zur Kinder- und Jugendhilfe und zum Gesundheitswesen noch passgenauer zu gestalten, bedarf es einer systematischen Vernetzung vor Ort.
Unterschiedliche Perspektiven zur Vernetzung
Der erste Tag der Fachtagung stand im Mittelpunkt der drei Inputvorträge das Thema Vernetzung aus Sicht der angesprochenen Arbeitsbereiche und Systeme Schwangerschaftsberatung, Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitswesen.
Prof. Dr. Ulrike Busch (Hochschule Merseburg) zeigte in ihrem Vortrag "Welche Bedeutung kommt der Schwangerschaftsberatung im Rahmen der Frühen Hilfen zu?" Grenzen und Chancen von Schwangerschaftsberatung im Kontext der Frühen Hilfen.
Prof. Dr. Ulrich Ginzel (Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden) erklärte in seinem Vortrag "Auftrag und Vernetzung aus Sicht der Jugendhilfe" wie notwendig es für die Jugendhilfe ist, mit anderen Handlungsfeldern beispielsweise der Schwangerschaftsberatung und dem Gesundheitswesen zu kooperieren.
Schließlich gab Frau Prof. Dr. Beate A. Schücking (Universität Osnabrück) in ihrem Beitrag "Kontrolle oder Unterstützung? Chancen und Grenzen der Schwangerenvorsorge in Deutschland und im internationalen Vergleich" einen Überblick über das sehr früh einsetzende und umfangreich von werdenden Müttern genutzte System der medizinischen Schwangerenvorsorge. Es bietet u. a. auch einen besonderen Zugang zu Frauen und Familien, bei denen ein Bedarf an Frühen Hilfen besteht.
Im anschließend moderierten Fachgespräch konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Veranstaltung Fragen an die Referentinnen und den Referenten stellen und sie hatten die Gelegenheit für eigene Statements, um auf Schwierigkeiten wie Fortschritte in ihrer alltäglichen Arbeit aufmerksam zu machen. Dabei wurde deutlich, dass sich insbesondere die Schwangerschaftsberatung noch in einer Suchbewegung befindet, wo sie sich im System der Frühen Hilfen verorten kann und möchte. So sehen sich einige Beratungsstellen und Träger durchaus in der Rolle eines "Motors vor Ort", durch den Netzwerke Früher Hilfen initiiert und vorangetrieben werden, wohingegen andere Träger und Beratungsstellen eher abwarten möchten, bis das Feld überschaubarer wird.
Rechtliche Fragen zur Vernetzung
Am zweiten Tag beantwortete Lydia Schönecker (DIJUF Heidelberg) in ihrem Vortrag "Vertrauensschutz in der Schwangerschaftsberatung - Möglichkeiten und Grenzen der Schwangerschaftsberatungsstellen als Brückenbogen zu Jugendhilfe und Gesundheitswesen" die rechtlich relevanten Fragen, die immer wieder im Rahmen von Vernetzung und Frühen Hilfen auftreten – etwa beim Datenschutz und der Informationsweitergabe.
Beispiele aus unterschiedlichen Praxisfeldern
In Workshops zu unterschiedlichen Praxisbeispielen hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Möglichkeit Vernetzungsinitiativen und Projektideen zu Frühen Hilfen aus unterschiedlichen Bereichen und Praxisfeldern kennen zu lernen:
Schwangerschafsberatung: SkF-Frankfurt e.V.
Jugendhilfe: Stadt Dormagen, Jugendamt
Gesundheitswesen: St. Marienkrankenhaus Ludwigshafen, Geburtsklinik
Hebammen/Familienbegleiterinnen: Pro Kind Bremen
Patinnenmodell: Niederlausitzer Netzwerk Gesunde Kinder
Netzwerk gegen Gewalt in der Schwangerschaft: Caritasverband Frankfurt e.V.
Schwangerennotruf: Kooperationsprojekt Krefeld, Evangelische Beratungsstelle
Eckpunkte zu Frühen Hilfen für die Schwangerenberatung
In einer als "Fish-Bowl-Runde" gestalteten Abschlussdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus den zuständigen Länderministerien, wurden sowohl die Ergebnisse der Workshops zu den unterschiedlichen Praxisbeispielen zusammen getragen, als auch Wünsche an die Politik zur besseren Ausgestaltung von Netzwerken Früher Hilfen - insbesondere aus Sicht der Schwangerenberatung - geäußert.
Die Diskurse, die auf der Fachtagung "Unterstützung von Anfang an!" einerseits gebündelt andererseits aber auch wieder neu angestoßen wurden, haben das Nationale Zentrum Frühe Hilfen und die BAGFW zum Anlass genommen, auf der Grundlage des Vortrages von Frau Prof. Dr. Busch, ein Eckpunktepapier "Frühe Hilfen und Schwangerenberatung" zu erstellen, das in Kürze auf www.fruehehilfen.de vorgestellt wird.