Frühe Hilfen – Corona-Krise: Was lernen wir daraus?
In der Auftaktveranstaltung zum Themenschwerpunkt Frühe Hilfen blickten drei Expertinnen aus unterschiedlichen Perspektiven auf Frühe Hilfen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und gaben mit ihren Analyse-Ergebnissen auch Impulse für den anschließenden Austausch.
Einleitend griff Mechthild Paul, Leiterin des NZFH, die Erkenntnis aus vielen Fachbereichen auch unabhängig von den Frühen Hilfen auf, dass die Corona-Krise die Ungleichheit verschärft habe. Dies bestätigten auch die folgenden Vorträge der drei Expertinnen, die damit fachliche Impulse für den anschließende Austausch gaben.
Mechthild Paul verwies auf die Bemühungen vieler Akteure, die direkt mit Beginn der Corona-Pandemie aktiv geworden seien und gehandelt hätten. So hätten auch das NZFH und die Bundesstiftung Frühe Hilfen Angebote initiiert und unterstützt und die Förderrichtlinien der Bundesstiftung für den Einsatz von Fachkräften in den Frühen Hilfen angepasst. Folgende Leitfragen standen im Fokus der Auftaktveranstaltung zum Themenschwerpunkt Frühe Hilfen und der zusammenfassenden Diskussion:
- Was können wir aus der Pandemie lernen?
- Was können WIR ändern? Was kann jede/jeder Einzelne dazu beitragen und bewegen?
- Welche Rahmenbedingungen benötigen wir?
- Wie können wir Solidarität stärken? Wie können wir, auch bei extremen Meinungsverschiedenheiten, im Gespräch bleiben?
Fachvorträge
Die Vorträge öffneten den Blick auf die Herausforderungen während und nach der Corona-Pandemie: beginnend mit der Sicht auf die Frühen Hilfen und Erkenntnisse aus der NZFH-Forschung – über einen weiter gerichteten Blick auf Kinder und Familien sowie insbesondere Kinder, die in Armut leben – bis hin zur umfassenden Perspektive und dem sogenannten Health-in-all-policies-Ansatz, der auch für die system- und bereichsübergreifenden Frühen Hilfen maßgebend ist. Die Moderation übernahmen Mechthild Paul und Jörg Backes (NZFH, BZgA).
Diskussion und Fazit
Zentrale und einstimmige Erkenntnis der Impulsvorträge war, dass Familien bereits in der ersten Phase der Corona-Pandemie in hohem Maße von den Auswirkungen der Maßnahmen zum Infektionsschutz betroffen waren, die Perspektive von Kindern und Familien aber nicht ausreichend berücksichtigt wurde.
Die anschließende Diskussion orientierte sich an den eingangs vorgestellten Leitfragen.
Was können wir aus der Pandemie lernen?
Rückmeldungen der Teilnehmenden machten deutlich, dass Kommunen und Netzwerke, in denen bereits vor der Corona-Pandemie Formen der systematischen Zusammenarbeit etabliert waren – zum Beispiel durch Präventionsketten – auch in der Pandemie schneller reagieren und Angebote schaffen konnten. Auch das Freiwilligen-Engagement war sehr hoch, und insgesamt sind gute Konzepte entwickelt worden.
Um diese Angebote und Konzepte auch nach der Pandemie fortführen zu können, seien aber weitere Anstrengungen gefragt: So müsse die Vernetzung weiter gefördert werden, außerdem seien die Länder in der Verantwortung, um notwendige Strukturen zu sichern.
Mit Blick auf die Gesundheitsämter habe die Pandemie dazu geführt, dass diese sich vornehmlich auf den Infektionsschutzbereich beschränkt und andere Aufgabe vernachlässigt hätten. Um dieses vielschichtige und grundlegende Problem zu bekämpfen, müsse ein funktionierendes und systematisches Public-Health-System etabliert werden.
Was können WIR ändern? Was kann jede/jeder Einzelne dazu beitragen und bewegen?
Damit intersektorale Vernetzung auf allen Ebenen funktionieren kann, müssten alle Akteure diese weiter vorantreiben. Jeder Einzelne im Netzwerk oder der Kommunen dürfe sich hier angesprochen fühlen.
Welche Rahmenbedingungen benötigen wir?
Nötig seien finanzielle Mittel – über die Mittel der Frühen Hilfen hinaus –, um flexibel auf besondere Herausforderungen wie Pandemien reagieren zu können. Neue gesamtgesellschaftliche Lösungen und Ansätze seien ebenfalls gefragt. Dazu gehöre auch, dass "Public Health" mehr sein müsse als Infektionsschutz.
Aber auch innerhalb der Kommunen müsste bessere Vernetzung und systemübergreifende Zusammenarbeit angestrebt werden, da die Pandemie gezeigt habe, wie Netzwerkarbeit teilweise ausgebremst wurde.
Ein weiterer Aspekt, der auch in anderen Kongress-Veranstaltungen intensiver beleuchtet wurde, sei der Bedarf an einheitlichen Vorgaben, welche digitalen Austausch-Formate in der Beratung oder im Netzwerk genutzt werden dürfen, auch unter Berücksichtigung des Datenschutzes.
Wie können wir Solidarität stärken? Wie können wir, auch bei extremen Meinungsverschiedenheiten, im Gespräch bleiben?
Hier wiederholte sich der Appell, auf kommunaler Ebene in die Netzwerkarbeit und auf gesamtgesellschaftlicher Ebene in viele Politikbereiche zu investieren.
Abschließend fasste Mechthild Paul noch mal zusammen, dass erste Studien Hinweise darauf geben, dass insbesondere Familien, die jüngere Kinder haben und sich schon vor der Pandemie in schwierigen Lebenslagen befanden, stark durch die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie betroffen waren.
Das NZFH werde auch weiterhin Vernetzung und Austausch fördern und insbesondere die Apelle nach Unterstützung in die Länder bringen und sich auf Bundesebene dafür einsetzen.
Die Kongress-Teilnehmenden regte sie an, auch über den Kongress hinaus Impulse mitzuteilen.