Belastungen und Ressourcen bei Familien mit Kindern 0-3 in 2022
Ergebnisse der bundesweit repräsentativen Studie "Kinder in Deutschland – KiD 0-3"
Dr. Anna Neumann, wissenschaftliche Referentin im NZFH, BZgA, und Dr. Ulrike Lux, kommissarische Leiterin der Fachgruppe Frühe Hilfen im Deutschen Jugendinstitut (DJI), stellten erste Ergebnisse der NZFH-Studie KiD 0-3 2022 vor.
Sie ergänzten damit den Vortrag von Ilona Renner, die im Rahmen der Auftaktveranstaltung bereits Studiendesign und Stichprobe vorgestellt hat. Die beiden Forscherinnen gingen auf zwei zentrale Fragestellungen ein: Welche Belastungen berichten Familie mit und ohne Armut? Zeigen sich auch bei Kindern im Alter von null bis drei Jahr schon Unterschiede in der kindlichen Entwicklung und Gesundheit in Abhängigkeit der sozialen Lage der Familie?
Wie wurden die in KiD 0-3 2022 erhobenen Belastungen ausgewählt?
Basierend auf verschiedenen Forschungsmodellen und -ansätzen wurden vier Ebenen zur Auswahl der Belastungen herangezogen:
- Ebene der Familie und der sozialen Situation
- Ebene des Kindes
- Ebene der Eltern
- Ebene der Eltern-Kind-Interaktion
Welche Belastungen berichten Familien mit und Familien ohne Armut? Für welche Belastungen zeigen sich Unterschiede?
- Auf Ebene der Familie und der sozialen Situation zeigt sich erwartungsgemäß bei einigen familiären Belastungen ein sozialer Gradient, insbesondere bei den Merkmalen "Bildung" und "Familienkonstellation". Weiterhin zeigen sich auch Unterschiede bei "beengten Wohnverhältnissen".
Keine (wesentlichen) Unterschiede ergeben sich bei den Merkmalen "Partnerschaftskonflikte" und "mehr als zwei Kindern im Haushalt". - Auf der Ebene des Kindes berichteten Familien in Armutslagen deutlich häufiger, sich aufgrund des Merkmals "Behinderung/Grunderkrankung des Kindes" belastet zu fühlen. Weitere Merkmale, die häufiger von Familien in Armutslagen genannt wurden, sind: "perinatale Probleme", "schwieriges kindliches Temperament", "problematisches Schreiverhalten".
- Belastungen auf Ebene der Eltern zeigten deutliche Unterschiede bei den Merkmalen "negative Kindheitserfahrungen", "starke Anzeichen für psychische Probleme" sowie "junges Alter der Mutter".
Weniger starke Unterschiede zeigten sich bei den Merkmalen "elterliche Erschöpfung" und "innere Wut/Ärger". - Bei den Belastungen auf Eltern-Kind-Ebene zeigt sich, dass die größten Unterschiede bei zwei Merkmalen bestehen, die sich auf die Zeit vor der Geburt des Kindes beziehen: "ungeplante Schwangerschaft" und "Rauchen in der Schwangerschaft". Eine weiterer, verhältnismäßig großer, Unterschied ergab sich bei dem Belastungsmerkmal "Feindselige Attribution gegenüber dem Kind".
Geringe Unterschiede, aber mit etwas 30-35 Prozent für alle Familien ähnlich häufig, berichten Familien von den Belastungen "Schwierigkeiten im Einfühlungsvermögen" und "Zweifel an elterlicher Kompetenz".
Ebenfalls einen geringen Unterschied, dabei aber etwas häufiger von Eltern ohne Armut genannt, ergab das Merkmal "Tendenz zur Überreaktion (hartes Anfassen des Kindes)".
Wie unterscheidet sich die Gesundheit der Kinder in Familien mit und ohne Armut aus Sicht der Pädiaterinnen und Pädiater?
Die Befragungen der Ärztinnen und Ärzte bestätigen die Sicht der Familien: sowohl bei Grunderkrankungen, wie geistige oder körperliche Behinderung oder Entwicklungsstörungen, als auch bei Regulationsstörungen sind die erhobenen Daten für Familien in Armutslage höher als bei Familien ohne Armut.
Wie schätzen Pädiaterinnen und Pädiater den Gesundheitszustand der Kinder mit und ohne Armut ein?
Grundsätzlich schätzen die befragten Ärztinnen und Ärzte den Gesundheitszustand der Kinder bei der großen Mehrheit als sehr gut ein. Dennoch zeigt sich ein Unterschied in Abhängigkeit der Armutslage: Einen guten oder sehr guten Gesundheitszustand zeigen die Daten für gut 97 Prozent der Kinder in Familien ohne Armut und für knapp 94 Prozent in Familien mit Armut.
Wie schätzen Pädiaterinnen und Pädiater die Entwicklung der Kinder aus Familien in Armutslagen ein?
Die Antworten gliedern sich in die drei Bereiche "körperliche Entwicklung", "soziale Entwicklung" und "Stimmung/Affekt". Für alle drei Bereiche zeigt sich ein deutlicher sozialer Gradient.
Welche Ergebnisse können aufgrund dieser ersten Vorabauswertung festgehalten werden?
- Die ersten Auswertungen zeigen das Potenzial der NZFH-Studie KiD 0-3 2022 im Hinblick auf Belastungslagen und Versorgungslücken.
- Im Detail zeigen sich für Familien in Armut durchschnittlich höhere Belastungen auf allen vier untersuchten Ebenen: der Ebene der Eltern, des Kindes, der Familie und sozialen Lage sowie der Eltern-Kind-Interaktion.
- Unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund sind die "Partnerschaftsqualität" und "Tendenz zur Überreaktion gegenüber dem Kind".
- Vor allem im Zusammenhang mit gehäuften Belastungen wirkt sich Armut schon in der frühen Kindheit negativ auf die Familie und die kindliche Entwicklung aus.
- Der Abbau von Kinderarmut und die Abmilderung negativer sozialer Folgen bleibt eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Familien in Armutslagen stellen deshalb weiterhin eine Kernzielgruppe der Frühen Hilfen dar.
Inzwischen sind zentrale Ergebnisse zu den vorgestellten Aspekten veröffentlicht.