Wie gut gelingt es den Frühen Hilfen, belastete Familien zu erreichen?
Ergebnisse aus der FiFH-Studie
Dr. Ansgar Opitz, wissenschaftlicher Referent im NZFH, DJI, fasste erste Ergebnisse der Studie "Familien in den Frühen Hilfen – FiFH" zusammen.
Während die im Vortrag von Dr. Ulrike Lux und Dr. Anna Neumann vorgestellte Studie KiD 0-3 2022 bundesweit und repräsentativ ausgelegt ist, blickt das Forschungsprojekt FiFH genauer auf Familien, die bereits Unterstützung der Frühen Hilfen in Anspruch nehmen – und zwar in Form der Längerfristign aufsuchenden Betreuung und Begleitung (LaB). Die Befragungen der Hauptbezugspersonen wurden durch eine Befragung der Gesundheitsfachkräfte/LaB ergänzt.
Welche Ziele verfolgt die Studie? Welche Fragestellungen stehen im Fokus?
Zentrale Fragestellungen des FiFH-Projektes sind:
- Welche Familien werden in einer LaB betreut? Unterscheiden sich Belastungen und Ressourcen der betreuten Familien mit und ohne Armutsrisiko?
- Inwieweit decken sich die von den Fachkräften formulierten Unterstützungsbedarfe der Familien mit der Selbsteinschätzung der Familien? Sind die Bedarfe unterschiedlich – abhängig von Armutsrisiken?
Wer wurde befragt?
An der Befragung haben 201 Elternteile/Hauptbezugspersonen teilgenommen. Rekrutiert wurden die Familien über Netzwerkkoordinierende Frühe Hilfen aus 18 Kommunen. Aus der Befragung der Fachkräfte sind 316 Familien-Fragebögen in die Auswertung eingeflossen.
Wie war die Lebenssituation der befragten (von LaB betreuten) Familien? Inwieweit unterscheiden sich die Daten zu diesen Belastungsmerkmalen von den Ergebnissen der Studie KiD 0-3?
Mit rund einem Drittel war der Anteil der Alleinerziehenden/Stieffamilien in der FiFH-Studie deutlich höher als in der repräsentativen Studie KiD 0-3 2022 (8 Prozent). Das Armutsrisiko lag mit knapp 50 Prozent ebenfalls deutlich höher als in der Studie KiD 0-3 2022 (10 Prozent).
Auch die Lebenssituationen "beengte Wohnverhältnisse", "niedrige Bildung" und "fehlende soziale Unterstützung" wurden von den in der FiFH-Studie befragten Eltern häufiger genannt als in der Studie KiD 0-3 2022.
Wie unterscheiden sich die von den Hauptbezugspersonen (HBP) genannten Belastungsmerkmale von Familien mit und ohne Armutsrisiko?
Die größten Unterschiede nach Armutsrisiko weisen die beiden Merkmale "Ungeplante Schwangerschaft" und "Negative Attribution" auf. Beide Merkmale nennen die Hauptbezugspersonen mit Armutsrisiko signifikant häufiger als ohne Armutsrisiko.
Am zweithäufigsten genannt – ohne signifikanten Unterschied nach Armutsrisiko – wurde "Niedrige Partnerschaftsqualität", gefolgt von "Erhöhte Depressions-/Angstsymptome", "Fehlende soziale Unterstützung" und "Geringe Zuneigung".
Wichtig ist hier darauf hinzuweisen, dass die in der FiFH-Studie befragten Eltern/Hauptbezugspersonen bereits ein Angebot der Frühen Hilfen in Anspruch genommen haben. Damit ist davon auszugehen, dass sie – unabhängig vom Armutsrisiko – mehr psychosoziale Belastung(en) aufweisen als andere Familien.
Auch in der repräsentativen Studie KiD 0-3 2022 gehörten "Ungeplante Schwangerschaft" und "Feindselige Attribution gegenüber dem Kind" zu den meistgenannten Belastungen auf Eltern-Kind-Ebene.
Welche Themen wurden von Fachkräften in den von betreuten Familien bearbeitet?
Von mindestens 90 Prozent der befragten Fachkräfte wurden in mindestens einer der betreuten Familien folgende Themen bearbeitet:
- Gesundheit des Kindes
- Ernährung des Kindes
- Entwicklung des Kindes
- Regulationsprobleme des Kindes
- Eltern-Kind - Interaktion
- Kontakte zu Diensten/Einrichtungen mit dem Ziel weitere Hilfe zu organisieren
- Motivierung der Hauptbezugsperson zu weiteren Hilfen
- Unterstützung bei der Strukturierung des Alltags
- Unterstützung bei finanziellen Fragen
Die meistgenannten Themen fielen damit in die Bereiche "Versorgung und Fürsorge" und "praktische Unterstützung", seltener wurden zum Beispiel direkte Unterstützung der Eltern oder bei sozialen Konflikten genannt.
Wie hoch schätzen Familien ihren Unterstützungsbedarf in unterschiedlichen Bereichen ein – aus Sicht der Eltern selbst und aus Sicht der Fachkräfte?
Die Eltern schätzen ihren Bedarf an Unterstützung durchgängig höher ein als Fachkräfte. Am größten ist die Differenz bei dem Punkt "Unterstützung für die Gesundheit der Hauptbezugsperson".
Eine Erklärung für die durchgängig niedrigere Bedarfseinschätzung der Fachkräfte könnte sein, dass sie die Belastungen der Familien im Vergleich mit anderen Familien sehen oder dass sie Belastungen direkt im Zusammenhang mit Ressourcen sehen und sie daher weniger bedeutsam einschätzen.
Wie unterscheiden sich Unterstützungsbedarfe nach Armutsrisiko – aus Sicht der Eltern und aus Sicht der Fachkräfte?
Im Bereich "Unterstützung im Alltag" sehen sowohl die Hauptbezugspersonen als auch Fachkräfte einen deutlich höheren, statistisch signifikanten, Bedarf in Familien mit Armutsrisiko.
Fachkräfte sehen zudem in Familien mit Armutsrisiko einen höheren Bedarf bei der "Unterstützung zur Förderung des Kindes" und bei "Informationen zu weiteren Angeboten und Hilfen".
Wie lassen sich die vorgestellten Auswertungen und bisherigen Erkenntnisse zusammenfassen?
- Mit der Längerfristigen aufsuchenden Betreuung und Begleitung (LaB) werden Familien erreicht, die mehr Belastungen aufweisen als in der allgemeinen Bevölkerung.
- In der LaB wird eine Bandbreite an Themen bearbeitet, mit Schwerpunkten rund um die Gesundheit und gesunde Entwicklung des Kindes und alltagspraktischer Unterstützung.
- Familien geben durchgängig höheren Unterstützungsbedarf als Fachkräfte an.
- Armutsbelastete Familien in der FiFH-Studie geben höhere Bedarfe bei der Unterstützung im Alltag an und weisen aus Sicht der Fachkräfte teils auch höhere Bedarfe in anderen Bereichen auf.
Die Studie bestätigt, dass Frühe Hilfen ein zentrales Mittel sind, benachteiligte Familien zu erreichen.