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Konferenzreihe Netzwerkarbeit und Netzwerkkoordination des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen in Frankfurt am Main

Dokumentation der Tagung vom 21. Mai 2015

Nachdem am 21. April 2015 in Potsdam die Konferenzreihe „Netze weben – Brücken bauen: Multiprofessionelle Kooperations- und Versorgungsstrukturen in den Frühen Hilfen“ erfolgreich gestartet war, wurde jetzt der fachliche Austausch und interkommunale Qualitätsdiskurs mit einer zweiten Konferenz am 21. Mai 2015 in Frankfurt am Main fortgesetzt. Netzwerkkoordinierende, Jugendhilfeplanerinnen und Planer sowie Leitungskräfte aus Jugendämtern und Gesundheitsämtern in ganz Deutschland diskutierten gemeinsam über aktuelle Themen und Herausforderungen der Netzwerkarbeit sowie über kommunale Strategien im Kontext Früher Hilfen.

Impressionen von der Konferenz in Frankfurt am Main

  • Dr. Andreas Eickhorst (NZFH im DJI) beschreibt in seinem Impuls die Forschungsvorhaben des NZFH zu Bedarfen und Belastungssituationen von Eltern.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Prof. Dr. Reinhold Schone stellt sein Modell der Verbindung zwischen Jugendhilfeplanung und Netzwerkkoordination Frühe Hilfen vor.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Prof. Dr. Marcus Siebolds erläutert wie die Kooperation zwischen Gesundheitswesen und Kinder- und Jugendhilfe in Qualitätszirkeln gelingen kann.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Die Konferenzteilnehmenden vertiefen die Impulsvorträge in drei parallel stattfindenden Fishbowl-Diskussionen.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Themeninsel des NZFH zur Rolle der Netzwerkkoordination.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • An 13 Themeninseln stellen Netzwerkkoordinierende ihre gelungenen Beispiele guter Praxis vor und kommen mit den Teilnehmenden ins Gespräch.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Durch den Konferenzmaler werden die Diskussionsthemen prägnant in Wort und Bild umgesetzt.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Am Stand des Nationalen Zentrum Frühe Hilfen können sich die Teilnehmenden informieren.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Mechthild Paul, Leiterin des Nationalen Zentrum Frühe Hilfen, zieht eine positive Bilanz zum Abschluss der Konferenz.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Konferenzteilnehmerinnen im Gespräch.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Über 100 Fachkräfte der Frühen Hilfen sind der Einladung des Nationalen Zentrum Frühe Hilfen gefolgt.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Präsentation der Diskussionsergebnisse durch die Moderatorinnen und Referenten.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Aus der Praxis - für die Praxis: Konferenzteilnehmende informieren sich an Themeninseln.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Interessiert verfolgen die Tagungsteilnehmerinnen und Teilnehmer die Fachvorträge.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Die Tagungsunterlagen erleichtern aufmerksames Zuhören …

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • … Mitschreiben …

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • … und Mitverfolgen der Vorträge.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • Die Pausen boten Gelegenheit für …

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • … Fachdiskussionen, …

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • … zum Austausch …

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

  • … und Zuhören.

    (Foto: NZFH/M.Kaiser)

Mit der Konferenzreihe hat das NZFH eine Plattform geschaffen, auf der die zentralen Akteurinnen und Akteure der Netzwerkarbeit aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse diskutieren und sich mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Leitungskräften über kommunale Umsetzungsstrategien und Herausforderungen austauschen können.

In ihrer Begrüßung erläuterte die Leiterin des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen, Mechthild Paul, dass seit dem Start der Bundesinitiative Frühe Hilfen in 2012 eine nahezu flächendeckende Etablierung von Netzwerken Früher Hilfen in den Jugendamtsbezirken in Deutschland erreicht werden konnte. Den Netzwerkkoordinierenden und ihren Leitungskräften kommt bei der Netzwerkentwicklung eine zentrale Rolle zu. Gleichzeitig sind die Netzwerke in besonderem Maße auf eine gelingende Kooperation von Jugendhilfe und Gesundheitswesen angewiesen, um präventive Versorgung von Familien nachhaltig etablieren zu können.

Impulsvorträge

Die Impulsvorträge für den gemeinsamen fachlichen Austausch kamen von Dr. Andreas Eickhorst, Wissenschaftlicher Referent im NZFH am Deutschen Jugendinstitut (DJI), Prof. Dr. Reinhold Schone von der Fachhochschule Münster und Prof. Dr. med. Marcus Siebolds von der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen.

Die drei Impulsvorträge bildeten die Grundlage für die Diskussionsrunden in den Fish Bowls, die im Anschluss an die Referate stattfanden.

Impulsvortrag I: Was wissen wir über die Bedarfe der Familien im Rahmen der Frühen Hilfen?

Dr. Andreas Eickhorst berichtete in seinem Impulsvortrag von ersten Ergebnissen aus Pilotstudien des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen, die in den Jahren 2012 bis 2014 in zwei Großstädten in Deutschland durchgeführt wurden. Die Pilotstudien sind Teil eines größeren Forschungsvorhabens, das Belastungsfaktoren von Familien erfassen und Kenntnisse darüber gewinnen will, welche Angebote Familien tatsächlich wünschen und brauchen. Die Pilotstudien weisen auf einen hohen Zusammenhang mit Bildung beim Vorhandensein  verschiedener familiärer Belastungen hin: Objektive Belastungsfaktoren sind demnach deutlich häufiger in Familien mit geringerem Bildungsniveau zu finden als in Familien mit hohem Bildungsniveau. Ein weiteres Ergebnis der Pilotstudien ist, dass die Kenntnis der Eltern beispielsweise von Beratungsstellen nicht unbedingt auch in eine Inanspruchnahme der Angebote durch die Eltern mündet.  

Fishbowl-Diskussion 1: Was wissen wir über die Bedarfe der Familien im Rahmen der Frühen Hilfen?

In der Diskussionsrunde zum Vortrag von Dr. Andreas Eickhorst ging es im Wesentlichen um drei Fragen:  

  1. Helfen die erhobenen Daten den Netzwerkkoordinierenden bei ihrer Arbeit?  
  2. Können eigene Daten vor Ort zu den Frühen Hilfen erhoben und diese dann überhaupt genutzt werden?  
  3. Sind die unterschiedlichen familiären Lebenswirklichkeiten vor Ort in den Befragungsergebnissen des NZFH wiederzufinden?

Die Teilnehmenden bekräftigten die Notwendigkeit und Bedeutung regionaler Daten(-erhebungen), die vor Ort für die Gestaltung und Weiterentwicklung der kommunalen Netzwerke genutzt werden könnten. Allerdings seien nicht immer genügend zeitliche und fachliche Ressourcen für eigene aussagekräftige Befragungen vorhanden. Einige Kommunen haben sehr positive Erfahrungen mit Elternbefragungen gemacht. Gerade in Flächenlandkreisen sei es besonders wichtig zu erfahren, welche Bedarfe die Familien haben, damit die Familien in meist entlegeneren Gebieten mit passgenauen Angeboten erreicht werden können.  
In diesem Zusammenhang wurden zwei Themen rege diskutiert: Wie ist im Kontext Früher Hilfen mit Eltern umzugehen, die keine Hilfen in Anspruch nehmen wollen, obwohl die beteiligten Fachkräfte eine Notwendigkeit zur Inanspruchnahme von Hilfsangeboten sehen? Und wie können Eltern erreicht werden, die bisher noch keine Hilfen in Anspruch genommen haben oder zu denen noch kein Kontakt besteht? Eine Teilnehmende berichtete in diesem Zusammenhang von freiwilligen Begrüßungsbesuchen, um frühzeitig Kontakt insbesondere zu jungen Familien aufzubauen.      
Des Weiteren kam die Frage auf, inwieweit Zugänge für die Beratung von Eltern geschaffen werden können, ohne dabei zu weit in die Privatsphäre der Familien einzugreifen oder sie gar zu „klientelisieren“. Ein sensibel gestalteter Zugang zu den Familien könnte über Familien- oder Stadtteilzentren gelingen, der nicht nur den Beratungs- und Unterstützungsbedarf fokussieren, sondern auch als Entwicklungsbegleitung verstanden werden sollte.  

Impulsvortrag II: Zwischen den Systemen: Vom Runden Tisch Frühe Hilfen zur integrierten Versorgung

Prof. Dr. Marcus Siebolds plädierte dafür, dass die häufig eher losere Kooperation zwischen Gesundheitswesen und Jugendhilfe in Runden Tischen in eine verbindliche Zusammenarbeit überführt werden müsse. Die Inanspruchnahme von Angeboten Früher Hilfen durch die Familien werde insbesondere dadurch beeinflusst, inwiefern die Leistungen Früher Hilfen etabliert und anerkannt sind. Demnach wäre es seiner Auffassung nach ideal, wenn niedergelassene Ärztinnen und Ärzte Familien in die Angebote der Frühe Hilfen überleiten könnten - vergleichbar mit einer Verordnung, die durch ein Rezept erteilt wird.

Fishbowl-Diskussion 2: Zwischen den Systemen: Vom Runden Tisch Frühe Hilfen zur integrierten Versorgung

In der Diskussionsrunde zum Vortrag von Prof. Dr. Siebolds wurde die Gestaltung der Kooperation zwischen Gesundheitswesen und Jugendhilfe vertieft. Bei der Ausgestaltung der Kooperation käme es auf Klarheit der Ebenen an – d.h. bewegt man sich auf der strukturellen oder der Fallebene. Außerdem müsse auf eine gewisse Transparenz und Vertraulichkeit der Qualitätszirkel geachtet werden, um die Privatheit der Familien nicht zu gefährden und Datenschutzbestimmungen einzuhalten. Die Kooperation zwischen Gesundheitswesen und Jugendhilfe müsse auf Augenhöhe stattfinden. Neben den Ärztinnen und Ärzten können auch deren medizinische Helferinnen und Helfer einbezogen werden.  

Impulsvortrag III: Frühe Hilfen als kommunale Planungsaufgabe

Prof. Dr. Reinhold Schone erläuterte in seinem Vortrag sein Verständnis Früher Hilfen als Infrastrukturleistung sowie die Bedeutung, die dabei den Netzwerkkoordinierenden zukommt. Diese verstehe er als Sozialplanende, welche die Infrastruktur in den Kommunen entwickeln müssten. Netzwerke seien ein Instrument, mit dem kinder- und familienbezogene Leistungen systematisch, innovativ und zukunftsgerichtet entwickelt und ausgestaltet werden können. Dazu benötigen die Netzwerkkoordinierenden einen klaren Planungsauftrag von Seiten der Politik und eine gelingende Kooperation mit den kommunalen Jugendhilfeplanern. Jugendhilfeplanung sei kein technokratisches Instrument, sondern ein Instrument zur Gestaltung kommunikativer, diskursiver Prozesse der Willensbildung und Entscheidungsvorbereitung über das, was erforderlich, geeignet, rechtzeitig und ausreichend anzusehen ist.

Fishbowl-Diskussionsrunde 3: Frühe Hilfen als kommunale Planungsaufgabe

Im Fishbowl zum Vortrag von Prof. Dr. Schone wurde diskutiert, dass die Jugendhilfeplanung besser mit der Netzwerkkoordination synchronisiert werden müsse.
Ferner erörterte die Runde die Frage, wie in kleineren Kommunen zu verfahren sei, wenn der Auftrag an die Netzwerkkoordination innerhalb des Jugendamtes nicht klar genug ist. In der Diskussion wurde als mögliche Lösung empfohlen, dass die Netzwerkkoordinierenden eine Planungskonzeption verfassen könnten und anschließend zusammen mit ihrer Leitung auf einen politischen Beschluss hinwirken.
Ein weiteres Thema war die Frage nach der Rolle des Jugendamtes im Hinblick auf die Netzwerkkoordination Frühe Hilfen. Prof. Dr. Schone plädierte hier für die Loslösung von einer zu stark auf die Jugendhilfe fokussierten Sichtweise hin zu einer verstärkten Interdisziplinarität der Netzwerke, die vor allem den öffentlichen Gesundheitsbereich gleichwertig mit einbezieht. Außerdem sollten Überschneidungspunkte von Frühen Hilfen mit anderen Bereichen wie Bildung und Armut beachtet werden, wodurch sich automatisch der Umfang relevanter Akteure und Institutionen erweitern müsse.

Themeninseln zu gelungenen kommunalen Praxisbeispielen

An 13 Themeninseln konnten sich die Konferenzteilnehmenden über gelungene kommunale Praxis im Feld Früher Hilfen informieren und gemeinsam Herausforderungen interdisziplinärer Netzwerkarbeit reflektieren. Die Praxisbeispiele wurden anhand von Plakaten und Präsentationen anschaulich präsentiert. 

Hier finden Sie eine Übersicht der Themeninseln

Einblick in die Diskussionen an den Themeninseln

Die Teilnehmenden berichteten über Unterschiede wie Gemeinsamkeiten der kommunalen Netzwerke. So bestünden beispielsweise bezüglich der strukturellen Anbindung der Netzwerkkoordination nach wie vor große Differenzen: So gebe es Landkreise, in denen die Koordination nicht auf eine, sondern auf zwei Personen aufgeteilt sei – z. B. auf Personen aus dem Gesundheits- und dem Jugendamt. Eine Kooperation zwischen Kinder- und Jugendhilfe und dem Gesundheitswesen sei in diesem Fall bereits strukturell angelegt und erleichtere so die Zusammenarbeit.

Auch beim Einbezug zivilgesellschaftlich Engagierter bestünden in den Kommunen und Landkreisen ähnliche Herausforderungen. So sei die Frage, wie Ehrenamtliche in die Netzwerkarbeit eingebunden werden können, ohne dabei Gefahr zu laufen sich zu überfordern oder Aufgabenbereiche zu übernehmen, die den Einsatz einer qualifizierten Fachkraft erfordern, zentral. Auch die Frage nach geeigneten Rückkopplungsmöglichkeiten für Ehrenamtliche innerhalb der Netzwerkstruktur müsse geklärt werden.

Diskutiert wurde außerdem, wie Eltern und Familien in großen Flächenlandkreisen besser erreicht werden können. In ländlicheren Gebieten bestehen andere oder weniger gut ausgebaute Versorgungsstrukturen als in städtischen Gebieten. Die Netzwerke Frühe Hilfen großer Flächenlandkreise seien daher vor die Aufgabe gestellt, Strukturen zu entwickeln, die Familien mit adäquaten Angeboten Früher Hilfen vor Ort versorgen.

Reflexion und Vernetzung

Im letzten Teil der Konferenz reflektierten die Teilnehmenden gemeinsam die auf der Konferenz gesammelten Erfahrungen und Inhalte und wie sie diese auf ihren Praxisalltag übertragen könnten. Die Teilnehmenden berichteten in diesem Zusammenhang von vielen neuen Impulsen für die Zusammenarbeit mit dem Gesundheitswesen. Einige äußerten die Absicht, nun aktiver auf die Jugendhilfeplanung zugehen zu wollen, um neue Kooperationen anzustoßen.

Konferenzmaler

Begleitet wurde der Konferenztag durch einen Konferenzmaler, der den Prozess in einem Bild festgehalten hat.

Zum Bild des Konferenzmalers