Leistungen des ÖGD für eine starke und moderne gesunde Kommune: Verzahnung mit den Angeboten der Frühen Hilfen
Bei der Satelliten-Tagung am Kongress-Vortag standen unter dem Titel "Der ÖGD, ein moderner Public Health Dienst" Entwicklungen und Herausforderungen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes im Fokus – auch mit Blick auf den sogenannten "ÖGD-Pakt".
Einer von sieben Workshops thematisierte die Verzahnung des ÖGD mit den Frühen Hilfen. Darin skizzierte Mechthild Paul, Leiterin des NZFH in der BZgA, zentrale Aspekte der Frühen Hilfen, stellte Erkenntnisse aus der Forschung vor und ging auf Potentiale der Zusammenarbeit mit dem ÖGD ein.
Dr. Gesine Thünenkötter und Evelin Zobel von der Koordinierungsstelle Frühe Hilfen im Regionalverband Saarbrücken berichteten von den als fachdienstübergreifendes Tandem organisierten Koordinierungsstellen im Saarland.
Prof. Dr. Eike Quilling, Hochschule für Gesundheit Bochum, und Prof. Dr. Raimund Geene, Berlin School of Public Health, haben den anschließenden Austausch moderiert.
Diskussion und Ausblick
In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, wie viele Handlungsbereiche zu berücksichtigen sind, um den ÖGD nachhaltig weiterzuentwickeln. Die Erfahrungen aus dem Aus- und Aufbau der Frühen Hilfen sowie das Vorbild der landesweiten, fachdienstübergreifenden Zusammenarbeit von Gesundheitsamt und Jugendamt brachten wertvolle Anregungen.
Die Teilnehmenden gingen dabei auch auf den im September 2020 geschlossenen ÖGD-Pakt ein, mit dem Bund und Länder eine Stärkung der Rolle des ÖGD anstreben, sowie das "Leitbild für einen modernen Gesundheitsdienst". Sie waren sich einig, dass die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen und Rahmenbedingungen, wie veränderte Krankheitsbilder, demographischer Wandel, Anstieg von Armutsrisiken, Migration und Flucht, komplexe Interventionen erfordern, die politisch strukturell verankert sein müssen.
Auch um ein Konzept wie im Saarland bundesweit zu verbreiten, bei dem die Frühen Hilfen als Tandem beim Gesundheits- und Jugendamt angesiedelt sind, muss der ÖGD grundsätzlich weiterentwickelt werden. Ein Umdenken vom bisherigen "Old Public Health"-Ansatz hin zu einem "New-Public-Health"-Ansatz sei dazu notwendig, der neben dem Gesundheitsschutz die Gesundheitsförderung, Beratung und Information sowie Steuerung und Koordination gesundheitlicher Belange in der Kommune als Kernaufgabe sieht.
Während das "Leitbild für einen modernen ÖGD" einen solchen modernen Ansatz verfolgt, sehen die Teilnehmenden diese Punkte in dem von Bund und Ländern geschlossenen ÖGD-Pakt nicht oder zu wenig berücksichtigt. Ausgestaltung und Umsetzung des ÖGD-Paktes sollten sich daher dringend am Leitbild des ÖGD orientieren.
Die zentralen Aspekte der Diskussion fasste das Moderationsteam, Prof. Dr. Eike Quilling und Prof. Dr. Raimund Geene, während der Veranstaltung stichpunktartig zusammen:
Was braucht der ÖGD, um die vielfältigen Aufgaben zur Verzahnung mit den Frühen Hilfen erfüllen zu können?
Rahmenbedingungen
- Frühe Hilfen auch als gesetzlicher Auftrag für den ÖGD wäre ideal
- Frühe Hilfen brauchen zur Zusammenarbeit von ÖGD und Kinder- und Jugendhilfe gemeinsames Konzept, idealerweise im Bereich einer Präventionskette
Personelle Ressourcen
- Frühe Hilfen brauchen Kinderärztinnen und Kinderärzte und Sozialarbeitende
- Gut dafür: Fördermittel des Bundes/der Bundesstiftung sowie ergänzende Kommunalmittel
- Qualifizierung: familiennahe Ausbildungskompetenzen, Netzwerkkompetenzen, Partizipationsfähigkeit, Empathie
Netzwerke
- Frühe Hilfen brauchen integriertes kommunales Gesamtkonzept
- Vernetzung mit freien Trägern und vielfältigen Angeboten für Familien
Weitere Ressourcen
- Nationales Zentrum Frühe Hilfen hat viele Arbeitshilfen und Handbücher für die praktische Arbeit erstellt, zum Beispiel die Qualifizierungsmodule und Kompetenzprofile, Veröffentlichungen zu Modellprojekten und Erkenntnissen aus Forschung und Praxis
- auch auf der Landes- und Regionalebene
Wer kann die Modernisierung vorantreiben?
Hier wurde deutlich, dass es Ansätze und Akteure auf allen föderalen Ebenen und in verschiedenen Handlungsbereichen braucht, um den ÖGD nachhaltig weiterzuentwickeln. Prof. Dr. Raimund Geene fasste die Punkte wie folgt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zusammen:
Bundesebene
- Bundesstiftung und Nationales Zentrum Frühe Hilfen, angesiedelt bei BZgA und Deutsches Jugendinstitut
- Politik (Gesundheitsministerium/ -ausschuss und Familienministerium/-ausschuss)
- Bundesinstitut für Öffentliches Gesundheitswesen / Public Health
- Krankenkassen, Nationale Präventionskonferenz
Landesebene
- Landeskoordinierung Frühe Hilfen, dort auch Arbeitskreis
- Krankenkassen
Bezirks- und regionale Ebene
- Schnittstellendiskussion Gesundheits- vs. Jugendämter – es existieren bundesweit weit mehr Jugendämter als Gesundheitsämter
- Kooperation mit Kinderkliniken mit intensiver persönlicher Ebene / gegenseitiges Vertrauen
Kommunale Ebene
- Kommunales Netzwerk / Präventionsketten einschließlich Frühe Hilfen
Berufsverbände / Fachgesellschaften
- Bundesarbeitsgemeinschaft Gesundheit & Frühe Hilfen
- Deutsche Vereinigung für Soziale Arbeit im Gesundheitswesen e. V. (DVSG)
- Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention e. V. (DGSMP)
- Deutscher Hebammenverband e. V. (DHV)
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege e. V. (DAJ)
Bei allen Ansätzen sei mitzudenken, dass Frühe Hilfen nicht mit Fallarbeit/Kinderschutz vermischt werden dürfen.