Publikumsfragen zu den Vorträgen
Im Anschluss an die Vorträge hatte das Publikum die Gelegenheit, Fragen an die Referentinnen zu stellen oder deren Ausführungen zu kommentieren.
Die Beiträge der Tagungsteilnehmenden rankten sich vor allem um diese Themen:
Die Rolle der Väter und weitere Ressourcen in den Frühen Hilfen
Warum Väter bislang in die Studien des NZFH nicht einbezogen worden seien, fragte eine Teilnehmerin. Prof. Dr. Sabine Walper, Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut (DJI), versicherte, dass in den weiteren Studien Väter viel stärker berücksichtigt und mitgedacht würden.
Prof. Dr. Ute Thyen, Oberärztin an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin der Universität zu Lübeck, betonte, dass Väter eine zentrale Ressource im Familiensystem seien. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf umfangreiche Forschungsergebnisse, die belegten, wie Ressourcen Risikofaktoren abpuffern könnten. „Deshalb gibt es Frühe Hilfen, denn Frühe Hilfen stärken Ressourcen und minimieren dadurch Risikofaktoren.“ Dabei hob die Kinderärztin eine aus ihrer Sicht wesentlich Ressource hervor: „Stillen stärkt die Bindung zwischen Mutter und Kind.“ Prof. Dr. Ute Thyen appellierte, dies frühzeitig bereits während der Schwangerschaft mit den werdenden Müttern zu thematisieren.
Resilienzforschung
Eine Teilnehmerin erkundigte sich, inwieweit die Forschung auch Resilienzfaktoren berücksichtige. Dies sei beispielsweise relevant im Hinblick auf die zahlreichen Frauen, die während einer Schwangerschaft aus ihrer Heimat flüchten.
Prof. Dr. Claudia Buß, Institut für Medizinische Psychologie der Charité - Universitätsmedizin Berlin, räumte ein, dass der Fokus bislang stark auf den Risiken und zu wenig auf Resilienzfaktoren gelegen habe. Die Bedeutung von Resilienzaspekten werde jedoch aktuell erforscht. Auch eine Untersuchung zur besonderen Situation von Migrantinnen und Migranten sei in Vorbereitung.
Einfluss auf kindliche Gehirnentwicklung nach der Geburt
Inwieweit die Gehirnentwicklung positiv beeinflusst werden könne, wenn Stressfaktoren nach der Geburt durch gute Unterstützung nachließen, erkundigte sich ein Tagungsteilnehmer. Laut Prof. Dr. Claudia Buß gibt es erste Hinweise darauf, dass einige Verhaltensauffälligkeiten abgepuffert werden können, wenn Kinder eine gute Bindung zur Mutter haben. Problematisch sei allerdings, so die Psychologin, dass es nach der Geburt oftmals eher zu einer Akkumulation von Risikofaktoren komme.
Schweigepflichtentbindung
Kontroverse Sichtweisen zeigten sich hinsichtlich der ärztlichen Schweigepflicht. Gibt es Situationen, in denen beispielsweise eine Geburtsklinik nicht auch ohne Schweigepflichtentbindung mit dem nachsorgenden Kinderarzt bzw. der nachsorgenden Kinderärztin sprechen sollte? Prof. Dr. Ute Thyen stellte heraus, dass die aktive Schweigepflichtentbindung eine große Ressource sein könne. Zudem gehe es im Austausch mit anderen Akteurinnen und Akteuren vielfach nicht nur um medizinische Aspekte. Aus Ihrer Sicht sei eine aktive Schweigepflichtentbindung unerlässlich.