Qualitätsgesicherte Einbindung freiwilligen Engagements in die Netzwerke Frühe Hilfen
Impulsvortrag
Martina Huxoll-von Ahn, Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
Wie bereichernd freiwillig Engagierte für die Frühen Hilfen sind, schilderte Martina Huxoll-von Ahn vom Deutschen Kinderschutzbund Bundesverband e.V. (DKSB). Zugleich machte sie deutlich, dass der Einsatz von Freiwilligen eindeutige Zuständigkeiten und eine verbindliche Qualitätssicherung erfordere. Die Kinderschutzexpertin berief sich in ihren Ausführungen unter anderem auf eine Arbeitshilfe zum „Qualitätsmanagement im Bereich Ehrenamt in den Frühen Hilfen“, die der DKSB in Zusammenarbeit mit der Landeskoordinierungsstelle Frühe Hilfen in Nordrhein-Westfalen erstellt habe.
„Ehrenamtliche schenken Familien freiwillig Zeit, hören ihnen zu und leisten niedrigschwellige alltagspraktische Unterstützung“, erläuterte Martina Huxoll-von Ahn. Dabei entstünden oftmals sehr vertrauensvolle Beziehungen. „So bekommen Ehrenamtliche mit, wo in Familien der Schuh drückt.“ Da Freiwillige für ihre Tätigkeit nicht bezahlt werden, erlebten Eltern deren Unterstützung häufig als besonders wertvoll. Wichtig sei allerdings, dass Träger eine klare Grenze zwischen Ehrenamt und professionellem Handeln einhielten.
Ehrenamtliches Engagement erfordere angemessene Rahmenbedingungen, Qualifizierung und Begleitung. Organisationen, die Ehrenamtliche einbinden möchten, sollten das Thema als Daueraufgabe in ihre Strategie einbinden, empfahl Martina Huxoll-von Ahn. Neben einem fundierten Fachkonzept und hinreichender Finanzierung sei auch eine gute Öffentlichkeitsarbeit wichtig: „Denn Ehrenamtliche engagieren sich besonders gerne dort, wo Angebote auch eine gewisse Attraktivität haben.“
Die stellvertretende DKSB-Geschäftsführerin empfahl, klare Anforderungsprofile für die jeweiligen Aufgaben zu definieren und Freiwillige auf dieser Basis bewusst auszuwählen. Dabei sei über gegenseitige Erwartungen und Anforderungen zu sprechen. Auch eine „Probezeit“-Vereinbarung könne hilfreich sein. Vor ihrem Einsatz sollten Freiwillige nicht nur Hintergründe – etwa zur Kindesentwicklung und zum Kinderschutz – kennenlernen, sondern auch eigene Haltungen und Werte reflektieren, beispielsweise gegenüber anderen Lebenswelten. Darüber hinaus, so Martina Huxoll-von Ahn, seien hinreichend Beteiligungsmöglichkeiten für Freiwillige wichtig: „Viele Untersuchungen zeigen, dass Ehrenamtliche auf diese Weise Wertschätzung und Selbstwirksamkeit erleben. Sie fühlen sich auch stärker mit dem Angebot verbunden.“
Ebenso bedeutend sei eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen durch Hauptamtliche – mit regelmäßigen Fallbesprechungen und Angeboten zur Selbstreflektion. Professionelle blieben dabei stets verantwortlich für das Management der Schnittstellen zu anderen Hilfssystemen. Angesichts der vielfältigen Anforderungen an die Zusammenarbeit mit Freiwilligen forderte Martina Huxoll-von Ahn auch für die hauptamtliche Koordination verbindliche Qualitätsstandards: „Das ist mir ein großes Anliegen.“
Fishbowl-Diskussion
Dass Ehrenamt nicht „preiswert“, sondern „seinen Preis wert“ sei, stellte Stefan Mölleney vom Amt für Jugend und Familie der Stadt Fulda in seinem Praxisimpuls fest.
Die anschließende Diskussion zeigte, dass freiwilliges Engagement vielerorts ein zentraler Baustein der lokalen Netzwerke Frühe Hilfen ist. Vor allem spezifische Zielgruppen wie beispielsweise Familien mit Migrationshintergrund ließen sich durch ehrenamtlich Tätige in ihrer Funktion als Lotsen in den Frühen Hilfen häufig leichter für institutionelle Angebote sensibilisieren als durch hauptamtliche Fachkräfte. Freiwillig Tätige mit Migrationshintergrund könnten außerdem bei der Traumabegleitung von Menschen mit Fluchterfahrungen unterstützen und die Rolle eines Dolmetschenden übernehmen. Damit biete freiwilliges Engagement auch die Möglichkeit, einen interkulturellen Blick auf die Frühen Hilfen zu schaffen und auf diese Weise besondere Wertschätzung für Angebote aus den Frühen Hilfen bei Eltern mit Migrationshintergrund hervorzurufen.
Als Herausforderung für die Einbindung von freiwilligem Engagement in die Netzwerke Frühe Hilfen wurde die Finanzierung der Angebote beschrieben. So sei die Schulung der Freiwilligen zeit- und personalintensiv. Demgegenüber stünden knappe Geldmittel in den Kommunen, die oftmals zu einer Konkurrenz um Ressourcen führe.
Die Teilnehmenden diskutierten auch, inwieweit Netzwerkkoordinierende durch die zusätzliche Koordination der Freiwilligen an Grenzen gelangen könnten. Als weiterer Stolperstein wurde die Gefahr der Selbstüberschätzung von freiwillig Tätigen thematisiert. Freiwillig Engagierte sollten bei Überforderung durch Fachkräfte unterstützt werden. Außerdem fehle – gerade in ländlichen Gegenden – eine Übersicht über Angebotsstrukturen. Mögliche Lösungswege hierfür seien das Pflegen persönlicher Kontakte und die Aufstockung personaler Ressourcen.
Im Verlauf der Diskussion wurden konkrete Handlungsempfehlungen zur erfolgreichen Einbindung von freiwillig Engagierten in die Netzwerke Frühe Hilfen zusammengetragen. Um freiwilliges Engagement erfolgreich in regionale Strukturen einzubinden, müssten sich Akteurinnen und Akteure aus allen Bereichen, die an den Frühen Hilfen beteiligt sind, „gemeinsam auf den Weg machen“. Denn der Aufbau entsprechender Angebote erfordere nicht nur Zeit, sondern auch das koordinierte Vorgehen aller Beteiligten.
Zu den nächsten Schritten gehöre konkret die Weiterentwicklung der Infrastruktur der Netzwerke Frühe Hilfen unter Einbezug von freiwilligem Engagement und der Vernetzung mit Einrichtungen, die Schnittstellen zu freiwilligem Engagement bieten. Kommunen sollten bei der Sicherung von Nachhaltigkeit und bei der Förderung von Qualitätsentwicklung ehrenamtlichen Engagements von Bund und Ländern stärker unterstützt werden. Außerdem müsse man vorhandene Geldmittel in den Kommunen effektiv nutzen, sowohl aus der Bundesstiftung Frühe Hilfen als auch durch weitere Finanzierungsmöglichkeiten. Außerdem sollten die Mittel bedarfsgerecht eingesetzt werden, sodass möglichst diejenigen Familien von Angeboten mit ehrenamtlich Engagierten profitieren würden, die sie auch benötigen.
Darüber hinaus solle mehr Gelegenheiten zur Vorstellung von Angeboten mit freiwillig Engagierten geschaffen werden. Die Angebote sollten dabei nicht nur direkt bei den Zielgruppen Früher Hilfen bekannt gemacht werden, sondern auch bei Akteuren in den lokalen Netzwerken, wie z. B. bei Netzwerkkoordinierenden, damit systematische Zugänge zu Angeboten mit Freiwilligen sichergestellt werden können. Auf diese Weise sollten insbesondere bessere Verknüpfungen von Netzwerk- und Freiwilligenkoordination entstehen. Die Diskutierenden waren sich ebenfalls einig, dass eine stärkere Beteiligung von Anlaufstellen für bürgerschaftliches Engagement am Netzwerk Frühe Hilfen sinnvoll sei.
Lessons learned
Freiwilliges Engagement könne an „Orten der Begegnung“ entstehen. Daher sollten gerade für Menschen mit Migrationshintergrund Angebote mit entsprechendem Raum („Begegnungsräume“) geschaffen werden. Frühe Hilfen seien auch als Schritt zur Förderung von Teilhabe zu verstehen, die durch die Einbindung freiwilligen Engagements realisiert werden könne.
Grundsätzlich sollten ehrenamtlich Engagierte in den Frühen Hilfen von offizieller Seite mehr Wertschätzung für ihre Arbeit erfahren. Dies bedeute mitunter auch, ehrenamtlich Engagierte stärker in Veranstaltungen der lokalen Frühen Hilfen einzubeziehen. Dabei sollten vermehrt die Potentiale der Freiwilligenarbeit genutzt werden. So könnten mit Blick auf Qualitätsentwicklung in den Frühen Hilfen beispielsweise Qualitätszirkel mit Ehrenamtlichen durchgeführt werden, um die Bedarfe von Familien ins Netzwerk zu transportieren.