Inhalte der Vorträge und Ergebnisse des Workshops
Der erste Workshoptag widmete sich dem Schwerpunkt „Forschung zu Vätern“. Am zweiten Tag wurden praktische Ansätze für die Arbeit mit Vätern vorgestellt und diskutiert.
17.12. 2015 – Forschung zu Vätern
Begrüßung
Alexandra Sann, NZFH im Deutschen Jugendinstitut e.V., München
In ihrer Begrüßung stellte Alexandra Sann, NZFH im DJI, den Ablauf des Workshops vor und erläuterte die Rolle des Nationalen Zentrums Frühe Hilfen (NZFH) hinsichtlich der vorliegenden Thematik. Dabei betonte sie die Wichtigkeit von Väterarbeit in den Frühen Hilfen. Laut einer eigenen Befragung gibt es in 12% der Kommunen Angebote für Väter. Das NZFH wolle hier Zeichen setzen, den Anteil gern erhöht wissen und betrachte die Väter als wichtige Ressource für das gesunde Aufwachsen von Kindern, so Alexandra Sann.
Vortrag „Väterforschung am DJI“
Prof. Dr. Sabine Walper, Deutsches Jugendinstitut e.V., München
Die Forschungsdirektorin des DJI, Prof. Dr. Sabine Walper stellte die Forschung und Arbeit des DJI zum Thema „Väter“ vor. Schwerpunkte bilden die private und berufliche Entwicklung von Männern und ihre Wege in die Vaterschaft. Wesentliche Aspekte sind dabei die aktive Vaterschaft, die Arbeitsteilung in Familien und die Rolle von Vätern in Trennungsfamilien. Ein weiterer Bereich beschäftigt sich mit Vätern in risikobelasteten Familien und Prävalenzangeboten.
Vortrag „Väter in der frühen Kindheit und den Frühen Hilfen"
Dr. Andreas Eickhorst, NZFH im Deutschen Jugendinstitut e.V., München
Dr. Andreas Eickhorst gab einen Überblick über den aktuellen Stand der Väterforschung. Demnach hat sich die Väterforschung in den letzten Jahren von ganz generellen Fragen hin zu Untersuchungen spezifischer väterlicher Interaktion entwickelt. Dabei spielen unterschiedliche Bereiche eine Rolle; z. B. werden biologische, intra- und interpersonelle Faktoren sowie das Familiensystem oder kulturelle Zusammenhänge untersucht. Andreas Eickhorst hob insbesondere die Gruppe der belasteten Väter hervor und die damit verbundenen Herausforderungen in der Weiterentwicklung der Frühen Hilfen, um Väter gezielter einzubinden und eigene Angebote für sie zu entwickeln. Dafür sei zum einen weiteres spezifisches Wissen zu dieser Zielgruppe nötig, zum anderen sollten die Angebote auch auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
Vortrag „Ergebnisse zu Vätern aus der Prävalenzforschung des NZFH"
Christoph Liel, NZFH im Deutschen Jugendinstitut e.V., München
Christoph Liel stellte väterspezifische Risiko- und Schutzfaktoren und ihren Zusammenhang mit der Kindesentwicklung sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Müttern und Vätern auf Basis einer repräsentativen deutschlandweiten Studie mit Familien mit Kindern bis zu drei Jahren dar. Ergebnisse einer Vertiefungsstudie an Müttern und Vätern aus unterschiedlich belasteten Familien weisen darauf hin, dass sich Väter teilweise sozial isolierter fühlten als Mütter. Väter sollten demnach in den Frühen Hilfen nicht nur als Risiko, sondern auch als Unterstützung für das Kind und als Entlastung der Mutter betrachtet werden. Aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, dass spezifische, an der Zuwendung zum Kind orientierte Angebote für Väter wünschenswert wären und weniger offene Väter einen erhöhten Hilfebedarf aufweisen.
Vortrag „Vaterschaft zwischen Jugendhilfeerfahrung und väterlicher Kompetenz"
Prof. Dr. Katja Nowacki, Fachhochschule Dortmund
Prof. Dr. Katja Nowacki berichtete von einer Studie, in welcher Väter mit eigener Jugendhilfeerfahrung zur Beziehung zu ihren Kindern befragt wurden. Es wurde untersucht, wie sich die Familiensituation von Vätern gestaltet, die ehemals selbst im Heim oder in einer Pflegefamilie untergebracht waren oder ambulante Hilfen in Anspruch genommen hatten. Die Mehrheit der Befragten hatte keinen regelmäßigen Kontakt zum eigenen Kind. Entsprechend berichteten diese Väter von höherer psychischer Distanz zu den Kindern und niedrigerem unterstützendem Familienverhalten.
Diskussion „Bedeutung der Befunde für die Frühen Hilfen"
Input: Dr. Heinz Kindler, Deutsches Jugendinstitut e.V., München
In der abschließenden Diskussion des ersten Tages ging es um die Frage, wie das väterliche Engagement gefördert werden kann und wie Väter positiven Einfluss auf die Entwicklung ihrer Kinder nehmen können. Ebenso wurde der Vater als „scheues Reh“ in der sozialen Arbeit, d.h. als schwer zu greifen, diskutiert. Rechtliche Systeme nähmen einen großen Einfluss auf die Gestaltung von Familien; die Kinderperspektive werde häufig – zumindest in der Forschung – vernachlässigt. Als problematisch wurde in der Forschung die Diskrepanz zwischen gemessenem und tatsächlichem väterlichen Verhalten betrachtet, z.B. im Hinblick auf Quantität und Qualität des Engagements. Dabei wurde der Eindruck diskutiert, dass Väter sich häufig erst „beweisen“ müssten, um ihre Daseinsberechtigung als Vater zu erlangen, obwohl weitestgehend Konsens darüber bestehe, dass das Vorhandensein von zwei Elternteilen normalerweise zum Vorteil des Kindes und der Eltern ist. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, für welche Gruppen spezifische Angebote in den Frühen Hilfen vorgehalten werden sollten. Gibt es Väter, mit denen man besser nicht arbeitet? Wie viel Mühe sollte man aufwenden, um die entsprechenden Väter zu erreichen? Sollte es spezifische Angebote geben oder doch lieber gemeinsame für alle relevanten Vätergruppen?
18.12.2015 – Arbeit mit Vätern in der Praxis
Vortrag „Überblick über die Wirkungsforschung zur Arbeit mit Vätern“
Prof. Dr. Peter Zimmermann, Bergische Universität, Wuppertal
Prof. Dr. Peter Zimmermann präsentierte einen Überblick über Interventionsansätze in der Väterarbeit. Es zeigte sich, dass die Ansätze heterogen sind und von der Steigerung des Involvements der Väter, über die Schulung des Feingefühls bis hin zur Vermittlung von Wissen und bestimmter Erziehungspraktiken reichen. So vielfältig wie die verfolgten Ziele und Ansätze sind auch die Programmbeispiele. Als problematisch betrachtete Prof. Dr. Peter Zimmermann, dass sich die Forschungsprojekte häufig ausschließlich auf selbstberichtete Veränderungen bei den Vätern stützten und die Programme oftmals nicht nach strengen wissenschaftlichen Kriterien evaluiert würden. Zwar zeigten sich, so Prof. Zimmermann, positive Effekte für die Steigerung des Involvements, die Qualität der Beziehung dürfe man jedoch nicht aus den Augen verlieren.
Vortrag „Das Programm „Caring Dads“ für Väter mit Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiko“
Edgar Schulz, Beratungsstelle „Gewalt in Familien“, Diakonie Düsseldorf
Edgar Schulz von der Diakonie Düsseldorf stellte das Programm „Caring Dads“ vor. Mit dem Ziel, Kindesmisshandlung und -vernachlässigung vorzubeugen, lernen Väter, die bereits Gewalt gegenüber ihren Kindern ausgeübt haben, einen besseren Umgang mit sich und ihren Kindern. Dabei arbeitet die Diakonie eng mit dem lokalen Jugendamt und anderen Hilfssystemen zusammen, um den Vätern und Familien möglichst gut zur Seite zu stehen. Schwerpunkte des Programms sind der Austausch mit anderen Vätern, die Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit, der Erwerb von positiven Erziehungspraktiken sowie ein besseres Verständnis für die Mutter des Kindes. Edgar Schulz berichtete von seiner langjährigen Erfahrung und den Veränderungen, die er bei den Vätern beobachten konnte.
Vortrag „Erste Forschungsbefunde zum „Caring Dads“ Programm in Deutschland“
Christoph Liel, NZFH im Deutschen Jugendinstitut e.V., München
Christoph Liel präsentierte erste Evaluationsergebnisse zu „Caring Dads“ in Deutschland. Befragt wurden Programmteilnehmende aus Düsseldorf, Hannover und Groß-Gerau. Selbstberichte der Väter zeigten, dass Aggressionen und dysfunktionale Erziehungseinstellungen über den Kurs hinaus abnahmen und sich das „Co-Parenting“ zwischen den Eltern verbesserte. Auch über einen längeren Zeitraum bewerteten die Väter das Programm als sehr hilfreich, wie eine Nachfolgeuntersuchung zeigte. Christoph Liel wies aber auch auf Einschränkungen hin. So gäbe es in Deutschland zurzeit keine Kontrollgruppe, mit der die Ergebnisse verglichen werden könnten. Ein Vergleich der deutschen Daten mit Ergebnissen aus Kanada, wo das Programm entwickelt wurde, deute jedoch auf vergleichbare Effekte hin.
Diskussion der Ergebnisse
In der anschließenden Diskussionsrunde ging es um das Thema „Quality Time“ und um die Frage, ob die Bindung zum Kind und die Entlastung eines Elternteils nicht vor allem durch Alltagssituationen und Routinen entstehen könnten. Außerdem wurde die Frage zur Bedeutung von Wissenschaft und Praxis aufgeworfen. Wie kann man komplexe, ganzheitliche Veränderungen bei Vätern durch Interventionsprogramme tatsächlich messen? Ist es nicht ausreichend zu sehen, dass es den Beteiligten besser geht? Gleichzeitig seien Messungen jedoch wichtig, um Programme weiterzuentwickeln und zu optimieren. Letztlich müsse immer eine Balance zwischen beiden Seiten gefunden werden.
Vortrag „Überlegungen zu Frühen Hilfen im Kontext des Berliner "Papaladens"
Eberhard Schäfer, Väterzentrum Berlin
Eberhard Schäfer stellte verschiedene exemplarische Angebote des gut etablierten Angebotes „Väterzentrum Berlin“ vor. Durch Information, Austausch, Beratung und viele Vater-Kind-Angebote versucht das Zentrum, Väter beim Vatersein zu unterstützen. Um Vatersein als Normalität zu etablieren, schafft es aber auch Räume, in denen Männer einfach Spaß als Vater erleben können. Darüber hinaus sind Ansätze zur Ausweitung in die Frühen Hilfen vorhanden, die Eberhard Schäfer ebenfalls vorstellte. So organisiert das Väterzentrum zum Beispiel in Kooperation mit einigen Berliner Kliniken „Crashkurse“ für werdende Väter, betreibt ein „Papa-Café“ für Väter in Elternzeit und bietet ein Gruppenprogramm für Väter nach der Trennung an.
Vortrag „Aufbereitung des Fachdiskurses zum Einbezug von Vätern“
Michael Tunç, Väter in Köln e.V., Bergisch-Gladbach
Michael Tunç referierte über die Kernfrage, welche Strategien und Ansätze zur Einbeziehung von Vätern in der Praxis der Familienberatung und -bildung bereits existieren. Er erklärte, dass Väter als Zielgruppe sehr heterogen seien. Dies treffe aber auch auf die spezielle Zielgruppe der Väter mit Migrationshintergrund zu, die er in seinem Vortrag hervorhob. Deshalb könnten keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden. Wichtig sei es jedoch, möglichst niedrigeschwellige Zugangswege zu schaffen.
Diskussion der Ergebnisse
In der abschließenden Gesprächsrunde wurde betont, dass für Väter die ersten Jahre mit ihrem Kind besonders wichtig seien. Väter könnten genauso wie Mütter lernen, sich in ihrer Rolle zurechtzufinden. Diskutiert wurde auch, wie man am besten Kontakt zwischen Vätern und den Frühen Hilfen herstellen könnte. Betriebe und Firmen wurden als eine Möglichkeit genannt, auch um das Ziel der Normalisierung des Vaterseins voranzutreiben. Insgesamt waren sich die Teilnehmenden darin einig, dass das Interesse an Vätern in den letzten Jahren zugenommen habe. Die Verzahnung von Forschung und Praxis wurde als wichtig angesehen, auch um Befunde, die die Möglichkeit zur Veränderung im Kleinen bieten, schnell und unkompliziert in die Familien zu tragen.